Die Sammlung Hahnloser in der Wiener Albertina.
Dieser Tage bedarf es schon besonderer Ereignisse, um die Akademikerin aus ihrer selbstgewählten Isolation am grünen Stadtrand ins Herz der Wiener Stadt zu locken.
Eines dieser Ereignisse ist die (Wieder-)Eröffnung der Sammlung Hahnloser in der Wiener Albertina. Während die Alberta immer einen Besuch wert ist, zählt diese beeindruckende Privatsammlung zurecht zu den bedeutendsten Sammlungen von Kunstwerken des frühen 20. Jahrhunderts. Wunderbare Kunstwerke von van Gogh, Holder, Matisse, Renoir, Cézanne und vielen mehr warten!
Wie vieles in diesem Jahr, wurde die Ausstellung der Albertina im Frühjahr kurz nach ihrer Eröffnung aufgrund der Corona-Krise wieder geschlossen – nun ist sie seit Ende August endlich wieder geöffnet. Doch auch vor der Albertina machen die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Corona-Krise keinen Halt. Befremdlich ist immer noch der nicht ganz reibungslose Ablauf rund um den Eintritt. Es herrscht Verwirrung um das Anstell-Prozedere, das Abstandhalten beim Kartenkauf und wie viele Personen in welchem Abstand vor den Gemälden stehen dürfen. Eine zusätzliche Verkomplizierung ist die zeitgleiche Ankunft einer Reisegruppe. Die Wiener Ungeduld tut in dieser Situation ihr übriges. Unbeschwert Kunst genießen ist im Jahr 2020 anscheinend eine besondere Herausforderung. Dennoch sind all diese Umstände notwendig, um diese wunderbare Ausstellung und den Besuch der Albertina an sich überhaupt zu ermöglichen.
Die Sonderausstellung selbst ist wundervoll gestaltet. Unter anderem werden 12 außergewöhnliche Werke von Cézanne gezeigt und jeweils acht Werke von Van Gogh und Matisse. Die Anordnung der Werke und deren Verteilung in den einzelnen Räumen ist gut durchdacht und sehr harmonisch. Die Räume selbst sind groß genug um den Corona-Virus bedingten Abstand zu den anderen Kunstliebhabern problemlos einhalten zu können. Die Ausleuchtung der Räumlichkeiten ist angenehm gewählt und lässt die Kunstwerke buchstäblich im vorteilhaftesten Licht erscheinen. Besonders angenehm ist die etwas kühler gewählte Raumtemperatur, daher war ein Besuch der Ausstellung trotz Maskenpflicht angenehm. Auch für Sitzgelegenheiten zum längeren Verweilen und Bewundern der Kunstwerke ist gesorgt – allerdings ist hier das Abstandhalten etwas schwieriger.
Während man sich der Bewunderung für diese Gemälde hingibt, kommt man nicht umhin auch Bewunderung (und berechtigterweise Neid) für das Lebenswerk des Schweizer Ehepaars Hahnloser zu empfinden. Diese immer noch international einzigartige Sammlung entstand zwischen 1905 und 1936 in enger Zusammenarbeit des Ehepaars mit seinen Künstlerfreunden. Was für ein Leben!

Empfehlenswert ist es, sich für den Besuch der Albertina etwas mehr Zeit zu nehmen, denn auch die anderen Ausstellungen sind einen Besuch wert. So zeigt zB die Fotografie-Ausstellung im Untergeschoß Portraits von Prominenten – menschlich, nahbar und doch humorvoll. Besonders anmutig fühlt man sich, während man den Weg in den ersten Stock beschreitet: auf rotem Teppich, flankiert von wunderschönen griechischen Göttern und Musen, verewigt in poliertem Marmor.
In solchen Momenten schlägt das Herz der Akademikerin besonders hoch (und das liegt nicht am Stiegen steigen). Auch ein zweiter Rundgang durch die Sonderausstellung sollte nicht aus Zeitgründen ausgeschlossen werden – so wurde an diesem Tag das persönliche Lieblingsbild der Sammlung Hahnloser, Van Goghs „Nachtcafé“, mehrmals bewundert. Ein Genuss für jeden Kunstliebhaber!
Etwas mehr Zeit zu haben ist auch dann von Vorteil, wenn man den Besuch in der Albertina in der nahegelegenen Brasserie Palmenhaus ausklingen lassen möchte. Ein wunderschönes Gebäude mit großartigem Blick in den Burggarten, dessen hervorragendes Frühstücksangebot fast einen eigenen Artikel wert ist. Wem die Kombination von Kunst und Kulinarik ebenso verlockend erscheint wie der Akademikerin, dem sei die Kombination von Albertina & Palmenhaus sehr ans Herz gelegt.
Die Sammlung Hahnloser ist noch bis 15. November 2020 zu sehen.

Albertina Wien
Albertinaplatz 1, 1010 Wien
T +43 (01) 534 83 0
info@albertina.at
Webseite: https://ww.albertina.at/
Öffnungszeiten Täglich 10 – 18 Uhr | Mittwoch & Freitag 10 – 21 Uhr
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Ausgewählte Künstler
Vincent van Gogh
(1853–1890)
Als Van Gogh 1886 in Paris ankommt, ist er Zeuge der neuen Kunstrichtung des Neoimpressionismus: Diese Künstler setzen die Farben unvermischt als Punkte und winzige Striche nebeneinander. Dies inspiriert Van Gogh, sich von der dunklen Tonmalerei, wie er sie in Holland praktiziert hat, zu distanzieren. Er verwendet reine, hellbunte Farben und malt Strichbilder. Van Gogh setzt die Farben unvermischt und pastos neben- und übereinander. Seit seinen Anfängen in Holland gilt Van Gogh die Schwarzweißzeichnung als der Malerei ebenbürtig. Nachdem er sich in Paris verstärkt der Malerei gewidmet hat, nimmt er ab 1888 in Arles seine intensive Zeichentätigkeit wieder auf. Er verbindet sie nun mit den Prinzipien japanischer Zeichenkunst und des Farbholzschnitts. Ersichtlich wird dies in der Schnelligkeit des Strichs, der Flächigkeit und Vereinfachung des Motivs sowie der Ausdrucksstärke der Konturlinien.
Paul Cézanne
(1839–1906)
Émile Zola drängte seinen Jugendfreund Paul Cézanne, nach Paris zu kommen, und dessen strenger Vater gab dem Wunsch des Sohnes schließlich nach: Cézanne verließ Aix-enProvence und kam im April 1861 in der Metropole an. Er schrieb sich in die private Lehrakademie Suisse ein und traf dort nach wiederholten Zwischenaufenthalten in Aix auf seine späteren Mitstreiter, die künftigen Impressionisten Camille Pissarro, Claude Monet, Auguste Renoir und Alfred Sisley. Wie sie malte auch Cézanne gegen die Konvention an. Sein heftiger Farbauftrag (manière couillarde) erntete Missfallen beim Salon. Er malte mit dunklen Farben; erst die Zusammenarbeit mit Pissarro in Pontoise hellte seine Farbpalette auf. Mit
ihm, Monet und den anderen gehörte Cézanne 1874 zu den Gründungsmitgliedern der Société anonyme des artistes, peintres, sculpteurs et graveurs. Gemeinsam organisierten sie in diesem Jahr in den Räumlichkeiten des Fotografen Félix Nadar in Paris die erste
Ausstellung in Eigenregie, um ihre vom Salon abgelehnten Werke zu präsentieren. Sieben Ausstellungen der von den Kritikern wegen ihres skizzenhaften und flüchtigen Pinselstriches als Impressionisten bezeichneten Künstler werden bis 1886 folgen. Cézanne nahm 1874 und
1877 daran teil. Beide Male sah sich seine Malerei heftiger Kritik ausgesetzt. Er lehnte es fortan ab, mit den Impressionisten auszustellen, zog sich in den Süden zurück und suchte die Abgeschiedenheit in Aix und L’Estaque.
Henri Matisse
(1869–1954)
Am Herbstsalon von 1905 hatte er mit aufsehenerregenden „Orgien reiner Farbtöne“ einen Skandal verursacht und den Fauvismus begründet. Matisse’ Malerei wurde so populär, dass er aus Spanien, Russland, Deutschland und Ungarn Künstler an die von ihm und seinem Schüler Hans Purrmann 1908 begründete Académie Matisse im Couvent des Oiseaux und
dann im Hôtel Biron in Paris anzog. 1911 schloss sie ihre Pforten. Der Zeitgeist hatte Matisse überholt. Der Kubismus und neue Avantgarden, die zur „Rückkehr zur Ordnung“ (Retour à l’ordre) und zu einer Rückbesinnung auf die Ideale der Klassik riefen, verbannten jegliche Art
von orgiastischer Farb- und Formgebung von der Leinwand. In der Folge malte Matisse zunächst farblich zurückhaltend, versah die Motive mit nur knappem Detail und hielt die Kompositionen mittels strenger, geometrischer Flächengliederung fest. Am Ende ging er aber dazu über, der Arabeske Bedeutung einzuräumen, und malte später sogar mit warmen, satten Farben.