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Philipp Hochmair im Interview zu „Glück Gehabt“

Jedermann Reloaded goes Heimat-Thriller

Der schwarzhumorige Film „Glück Gehabt“ – nach dem Roman „Das Polykrates-Syndrom“ von Antonio Fian – beginnt als harmlose Dreiecksgeschichte und entwickelt sich für Artur (Philipp Hochmair) schon bald zu einem blutigen Horror-Trip. Seine Ehe mit der Schuldirektorin Rita wird auf die Probe gestellt, als sich die attraktive wie geheimnisvolle Alice (Julia Roy) anfängt in Arturs Leben einzumischen.

GLÜCK GEHABT IST SO SCHWARZ WIE DIE NACHT UND SO SCHARF WIE EIN HACKEBEIL

(Filmrezension folgt in Kürze)

Zum Interview im Wiener Park Hyatt Hotel brachte ich für „Glück Gehabt“-Darsteller Philipp Hochmair ein chinesisches Glückskeks mit. Zu unser aller Erstaunen befand sich jedoch kein Glücksspruch in selbigem Keks. Was der sonnige Schauspieler jedoch als äußerst gutes Omen empfand. So sind sie, die Glückskinder.

Schauspieler Philipp Hochmair ist einfach omnipräsent. Kaum ein anderer arbeitet so zielstrebig und hart an seiner Karriere wie er. Und das ohne lang drüber nachzudenken. Spontaneität – das macht den gebürtigen Wiener aus. Denn genau so hat sein Beruf begonnen und genau so wurde er zum Jedermann am Domplatz. Für die Liebe bleibt da nicht viel Platz. Macht aber nichts, die „große Liebe“ und das größte Glück ist für ihn ohnehin die Schauspielerei.

Prisma Film

Hillevi Hofmann: Lieber Philipp. Erstmal Danke für das Interview und wo wir schon beim Thema sind: Was kommt dir denn beim Wort „Glück“ als erstes in den Sinn?

Philipp Hochmair: Ein erfülltes Künstlerleben.

Hillevi Hofmann: An wen denkst du, wenn du das Wort „Glückskind“ hörst oder liest?

Philipp Hochmair: An meine Großmutter. Weil ich mit ihr schon in früher Kindheit ein sehr erwachsenes Verhältnis hatte und sie mich ernst genommen hat. Auch dass da viele Sachen passiert sind, die mich bis heute prägen. Meine Großmutter war sicher eine der ersten die mich meine kreative Seite hat leben lassen. Mit ihr ging alles los, sie war mein erster Kamerad, meine erste Verbündete.

„Das ist vielleicht das höchste Glück, wenn man zusammen kreativ sein kann.“

Hillevi Hofmann: Wie wichtig ist es denn, dass man als Kind oder junger Mensch vom Elternhaus und der Familie ernst genommen wird – bezogen auf den Wunsch, Schauspieler zu werden?

Philipp Hochmair: Sehr wichtig, auch bei Dingen, die nicht die Schauspielerei betreffen. Das ist für’s ganze Leben wichtig. Dass ich zum Beispiel so wie ihr (deutet auf meine Tochter, die Fotografin, die das Interview fotografiert) zusammenarbeitet könnte ich mir bei mir nicht vorstellen, da es bei mir diese Verbindung nicht gibt. Das ist vielleicht das höchste Glück, wenn man zusammen kreativ sein kann.

Foto © Philine Hofmann

Hillevi Hofmann: Wie alt warst du, als du erstmals den Wunsch verspürt hast, Schauspieler zu werden?

Philipp Hochmair: Das ist mir eher passiert. Das war ähnlich wie der Sprung auf den Domplatz (Anm.: Philipp Hochmair ist 2018 kurzfristig- innerhalb 30 Stunden – für den an Lungenentzündung erkrankten Tobias Moretti als Jedermann eingesprungen). Ich saß in der Schule, wir haben einen Film, die „Outsiders“ von Francis Ford Coppola angesehen. Da geht es um Bandenkriege und einer der Bandenanführer sagt in Anbetracht der aufgehenden Sonne ein Robert Frost Gedicht auf „Nothing Gold Can Stay“*. Er weiß, die Schönheit der Sonne wird sich verändern in den nächsten Minuten und dabei sagt er eben dieses Gedicht auf.

Die Englischlehrerin zweifelte damals, ob von uns Schülern auch jemand so spontan ein Gedicht aufsagen könne. Ich saß in der letzten Reihe und bin ganz ohne Vorbereitung und ohne lang nachzudenken auf den Tisch gesprungen und hab den „Totentanz“ von Goethe zitiert. Den ich damals gelernt hatte, weil er mich fasziniert hat und wir ihn im Zeichenunterricht illustriert haben.

„Meine Großmutter war sicher eine der ersten die mich meine kreative Seite hat leben lassen“

Dieser Sprung auf diesen Tisch und dieses Gedicht vorzutragen obwohl die Pausenglocke läutet und eigentlich alle aufstehen und in die Pause rennen wollen aber doch still sitzen bleiben und sich Goethes Sprache von mir reinsägen lassen – das war meine Geburt. Und so war das auch am Domplatz, das war ein ganz ähnlicher Vorgang. Ohne Vorbereitung, ohne rationale Entscheidung. Einfach auf diese Bretter zu springen und Sprache zu performen. So ist diese Geburt passiert und so funktioniere ich. Ich bin nicht der planende Geist, der Rationalist, der sich eine Strategie überlegt.

Hillevi Hofmann: Bei all deiner Spontaneität, kennst du dann dennoch so etwas wie Lampenfieber? Wie zum Beispiel am Domplatz, wo dir ja irgendwo klar sein musste „Das kann jetzt entweder voll funktionieren oder total daneben gehen“.

Philipp Hochmair: Ich konnte mich da auf etwas verlassen, ich habe das ja schon drei Jahre mit meiner Band gemacht, kannte das Stück wirklich in-und-auswendig. Das war mein Ruhepol und trotzdem war da gleichzeitig eine sehr große Aufregung, weil man ja nicht weiß, wo das ganze Experiment hingeht. Wir saßen da alle im selben Boot. Wir wollten, dass es eine schöne Aufführung wird und diese Gemeinsamkeit hat mich gestärkt.

Hillevi Hofmann: A propos „Elektrohand Gottes“. Wenn du für einen Tag lang Gott sein könntest, was würdest du als Erstes tun?

Philipp Hochmair: Gott, ist das kompliziert… (lacht). Ich glaube, die Welt positiv aufladen und alles wieder gut machen. Du erwartest jetzt von mir sicher eine brilliante, spontane Antwort bei einem so komplexen Wunsch (lacht). Das klingt jetzt alles kitschig was man da sagt, aber eine liebevolle Kraft in die Welt hineinhauchen. Das wäre mein größter Wunsch.

Hillevi Hofmann: Vom positiven Gefühl mal ins genaue Gegenteil: Was bringt dich denn komplett zum Auszucken? Ich erinnere mich da an diese schöne Badezimmer-Szene in deinem neuen Film, wo du ja richtig ausrastest.

Philipp Hochmair: Das ist aber auch ein sehr positiver Moment, weil er da irgendwie aufwacht, klar wird und zum Mann wird. Sich befreit von diesen Ketten und wieder klar positionieren kann. Ich zucke eh immer genug aus in meinen Stücken und Filmen (lacht). Privat fällt mir da auf die Schnelle nichts ein, da müsste ich überlegen.

„Neben all diesem Boost an Serien und Unterhaltungsangeboten ist „Glück Gehabt“ für mich ein sehr schöner und beruhigender Film, trotz aller schwarzen Elemente, die er in sich trägt“

Hillevi Hofmann: Du bist ein ziemlich fleißiges Bienchen, bist sehr viel unterwegs und dauernd am Arbeiten. Gibt es auch einen faulen Philipp Hochmair, so einen, der tagelang im Pyjama auf der Couch rumgammelt?

Philipp Hochmair: Gäb‘s. Aber der ist natürlich in Vergessenheit geraten und ich durfte ihn jetzt mal ausleben in dem Film. Das ist etwas, was mich persönlich rührt, wenn ich mir anschaue, das bin ja auch ich. Ich erkenne mich da schon wieder und frage mich, wo ist das alles hingegangen. So kann ich etwas von der Figur lernen, wo sich gerade alles so dynamisiert und so reichhaltig geworden ist. Das ist ein schöner Aspekt, der diesem Film eine gewisse Ruhe bringt. Neben all diesem Boost an Serien und Unterhaltungsangeboten ist „Glück Gehabt“ für mich ein sehr schöner und beruhigender Film, trotz aller schwarzen Elemente, die er in sich trägt.

Foto © Philine Hofmann

Hillevi Hofmann: Ohne jetzt allzu viel zu spoilern, aber da gibt’s schon ein recht heftiges Badezimmer-Massaker. Könntest du nach so einem Erlebnis noch ein gemütliches Schaumbad in dieser Badewanne nehmen?

Philipp Hochmair: Danach? (lacht). Nein, ich könnte es nicht. Die ziehen ja dann auch weg im Film. Radikaler Tapetenwechsel.

Hillevi Hofmann: Bei der Figur der Alice kristallisiert sich relativ schnell heraus, dass die ziemlich crazy ist. Sind „ver-rückte“ Frauen bei euch Männern eher topp oder flopp?

„Das Verrückte ist ja auch immer irgendwie anziehend und schillernd. Die Frage ist halt, wie sehr man das an sich ranlässt und sich damit identifiziert“

Philipp Hochmair: Beides. Das Verrückte ist ja auch immer irgendwie anziehend und schillernd. Die Frage ist halt, wie sehr man das an sich ranlässt und sich damit identifiziert. Auch wie sehr man sich davon gefangen nehmen lässt.

Wir gehen ja ins Theater und ins Kino um genau das zu erleben. Und das muss nicht zwangsweise nur eine Frau sein. Ich kenne wahnsinnig interessante, auch teils gescheiterte Künstlerexistenzen, zu denen ich mich sehr hingezogen fühle. Gerade die sind in ihrer Geisteswelt oft grenzgenial aber eben nicht alltagskompatibel. Und damit spiel ich ja auch, ich werde oft genug als verrückt eingeordnet. Da braucht es dann aber einen gewissen Stall und eine Stabilität, damit das nur dem Spiel dient und nicht mit in den Alltag rein-fließt.

Hillevi Hofmann: Heißt, du kannst eine schwierige oder verrückte Rolle danach einfach abschütteln und sie nicht mit nach Hause nehmen?

Philipp Hochmair: Daran hab‘ ich schwer arbeiten müssen. Früher dachte ich, das muss ich mit nach Hause nehmen. Jetzt hab‘ ich gelernt, dass man zum Beispiel nach „Mephisto“ am Schauspielhaus in Zürich in den eiskalten See springen kann, der dann diese ganze Energie neutralisiert. So dass ich besser schlafe und besser ins Leben gehe, wenn ich das abgewaschen habe. So hab‘ ich halt meine Rituale gefunden. Gesunde Rituale, die mich gesund wieder in meinen Körper zurückbringen. Sonst verbrennt man.

„Ich bin nicht der planende Geist, der Rationalist, der sich eine Strategie überlegt“

Hillevi Hofmann: Jetzt auf den Film bezogen: (Achtung Spoiler!) könntest du einen Seitensprung mit einer Fremdschwangerschaft verzeihen in einer Beziehung?

Philipp Hochmair: Ich sag ganz klar ja, weil, jeder ist selbst verantwortlich. Das Leben sucht sich seine Realität. Wenn ich in einer festen Beziehung wäre und mir das so passieren würde ist das halt dann so. Ich kann von mir sagen, dass das gerade nicht mein Lebensmodell ist, weil ich zu viel arbeite im Moment. Aber ich würde es weder verurteilen, noch negative Konsequenzen ziehen. Falco ist das passiert. Der hat ein egomanisches Leben als Rockstar, vernachlässigt seine Frau, die lässt sich von wem anderen schwängern. Auch nachvollziehbar. Ich würde das nicht verurteilen, wenn ich diese Frau liebe.

Wir leben auch in einer Zeit wo das moralisch nicht mehr so eine Bedeutung hat wie früher mal. Wir sind nicht mehr bei Faust, wo Gretchen in den Kerker kommt, das Kind muss sterben, die Mutter ist tot, Gretchen wird verurteilt, verliert den Verstand, Faust flieht, hinterlässt drei Tote und eine geistig Umnachtete (lacht). Ich sehe das ganze toleranter, wir leben ja auch in Zeiten von Patchwork. Da sollte das kein Grund mehr für Selbstmord oder sonst was sein.

Hillevi Hofmann: Du reist sehr viel. Was darf denn in deinem Handgepäck nie fehlen?

Philipp Hochmair: Ein Megaphon, eine Military Hose und meine Ringe. (Das ist das Outfit, das ich als Performer brauche.)

Hillevi Hofmann: Wo du so schöne Filme drehst, wie „Kater“, „Tiere“ oder jetzt „Glück Gehabt“. Welcher Film hat dich denn am meisten beeinflusst in deinem Leben?

„Der Film hat mich so aufgeregt (…) Wie eine Naturgewalt“

Philipp Hochmair: Also ich würde jetzt sogar sagen „Glück Gehabt“ und davor war es „Tiere“ und davor war es „Kater“. Filme, die bei mir einen gewissen Reifungsprozess markiert haben. „The Elephant Man“ (Anm.: ein Film von David Lynch, 1980) hab‘ ich viel zu früh gesehen in meinem Leben. Meine Eltern haben den damals im Fernsehen angeschaut und ich hab‘ mich heimlich dazu gemogelt. Der Film hat mich so aufgeregt, das war wirklich ein irres Filmerlebnis. Wie eine Naturgewalt.

Hillevi Hofmann: Das hatte ich mit der „Blechtrommel“, den hab‘ ich auch zu früh gesehen.

Philipp Hochmair: Ja, mit dem hab‘ ich ein ähnliches Erlebnis. Weihnachtsurlaub im Landhaus und dann schaut man sich als Kind so einen Film an. Zuerst die Sexszenen und dann, wie sie Aal essen und kotzen. Furchtbar.  Den hab‘ ich dann als Erwachsener gesehen, da fand ich ihn völlig harmlos.

Prisma Film / Luna Film

Hillevi Hofmann: Kannst du Filme eigentlich noch genießen? Wo du ja weißt, wie alles funktioniert. Schnitt, Aufnahme.

Philipp Hochmair: Das Doppel-Bewusstsein ist schon da. Ich kenne ja viele Kollegen oder Regisseure persönlich und weiß wie so ein Film hergestellt wird aber das schmälert den Genuss nicht.

Hillevi Hofmann: Letzte Frage: Wie lautet denn die ideale Verabschiedung? (Anm.: Im Film gibt es dazu eine schöne Szene).

Philipp Hochmair: Für mich eher eine Geste oder ein Wangenkuss.

Hillevi Hofmann: Jetzt auch mit Fremden?

Philipp Hochmair: Klar, das machen die Franzosen. Ich habe ja lange in Frankreich gelebt und in Paris studiert und das hat mir sehr gefallen als Geste. Dass man auch fremde Menschen auf die Wange küssen kann. (Ähnlich wie in der Kirche wo man sich den Friedensgruß gibt mit der Bedeutung „Gebt einander ein Zeichen des Friedens“.)

Hillevi Hofmann: Na dann mag ich jetzt auch ein Bussl haben!

Gesagt. Bekommen. (Ich Glückskind!).

Und hier noch besagtes Gedicht von Robert Frost aus dem Film „The Outsiders“

*NOTHING GOLD CAN STAY (Robert Frost)

Nature’s first green is gold, Her hardest hue to hold. Her early leaf’s a flower; But only so an hour. Then leaf subsides to leaf. So Eden sank to grief, So dawn goes down to day. Nothing gold can stay.

Prisma Film
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GLÜCK GEHABT

Spielfilm | Peter Payer | AT | 2019 | 101 minwww.glueckgehabt-film.at

Chefredakteurin bei CRITICAL MINDS MAGAZIN +++ Ressortleitung: Theater-Film-Stars +++ Davor als Kultur-Redakteurin tätig bei SCHiCKMagazin, KURIER Medienhaus und der Tageszeitung HEUTE.

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