Mission: „Rettet das Nachtasyl“

Für die einen ist es nur ein Lokal. Für andere die Heimat der Heimatlosen. Ein Ort, der Künstlern aller Richtungen ein Zuhause bietet. Nach 33 Jahren könnte die Wiener Kult-Institution nun aufgrund der Corona-Pandemie für immer schließen. Doch Besitzer Dan Lestrade gibt (noch) nicht auf.


Seit 1987 ist das Nachtasyl, welches Dan Lestrade vor einiger Zeit übernommen hat, fixer Bestandteil des Wiener Nachtlebens. Jetzt steht der Wiener mit tschechischen Wurzeln allerdings vor der bis Dato größten Herausforderung seines Lebens. Der Keller (Baujahr 1901) ist derart feucht, dass man dies selbst noch in den darüber liegenden Wohnungen sehen kann. Eine Trockenlegung ist unumgänglich, die Sanierungskosten sprengen selbst seine Vorstellungskraft – und die ist wahrlich groß. Ein Kredit kommt aufgrund diverser Auflagen nicht in Frage. Um Hilfe zu bitten fällt ihm schwer. Aber es wäre nicht Dan Lestrade, wenn er nicht wie ein Löwe um sein Lokal kämpfen würde. Daher auch unsere Bitte: Retten wir das Nachtasyl und damit auch seine Existenz.



Wir sind ein Zufluchtsort, für Studierende, Heimatlose, Künstler, Prominente und Politiker gleichermaßen. Bei uns ist jeder willkommen.

Dan Lestrade

INTERVIEW mit Nachtasyl-Mastermind DAN LESTRADE


CM: Erzähl mal, wie und wann du zum Nachtasyl gekommen bist.

Dan: Das war eigentlich purer Zufall. Ich war schon als Jugendlicher Stammgast im Nachtasyl. Ich bin zwar in Österreich geboren, doch meine Wurzeln und mein Herz hängen immer noch an Tschechien. So verwundert es wenig, dass ich damals ausgerechnet hier im Nachtasyl gelandet bin, ist die Geschichte des Ladens eine rein tschechische. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein Lokal sich in Wien etablieren würde, das von tschechischen Dissidenten gegründet wurde, die der damaligen Tschechoslowakei verwiesen wurden, weil sie sich gegen das Regime ausgesprochen hatten, das war im Jahre 1987.

Im Oktober des selben Jahres war es dann soweit, das Nachtasyl hat seine Pforten geöffnet und wurde von Anfang an regelrecht gestürmt. Unter den Gästen fanden sich auch Karel Schwarzenberg, der tschechische Präsident Vaclav Havel oder künstlerische Größen wie Blixa Bargeld oder Nick Cave. Bis heute versteckt sich gerne die nationale Prominenz bei uns, aber auch diverse Hollywoodsternchen wissen unseren diskreten Zufluchtsort zu schätzen.

Irgendwann hat es mich ins Ausland gezogen und in meinem Kopf ist das Nachtasyl vollkommen in Vergessenheit geraten. Erst 2016 habe ich das Nachtasyl wiederentdeckt, was eigentlich meiner damaligen Ex-Freundin geschuldet war. Als gebürtige Tschechin nannte sie das Nachtasyl ihr zweites Wohnzimmer. Natürlich hat sie mich sofort hierher verschleppt.

Eines Abends, bei einer gemütlichen Abendrunde mit ihr, dem Gründer des Nachtasyls Jiri Chmel und des tschechischen Malers Pavel Sysel Kirschner ist, offenbar dem hohen Alkoholpegel geschuldet die Frage aufgekommen was nun mit dem Nachtasyl passieren wird, wenn Jiri Chmel in Rente geht. Es war Pavel Sysel Kirschner der nach einem kurzen Augenblick einfach sagte, „Dan sollte es übernehmen“. In dem Moment begriff ich, dass das Nachtasyl vor dem Aus steht – wenn ich es nicht übernehme, dann würden die Lichter an diesem einzigartigen Ort für immer erlöschen und mit ihm all die schönen und verrückten Geschichten die die Gemäuer erzählen würde, wenn sie es könnten.

CM: Was genau macht das Lokal so besonders?

Dan: Die Presse und die vielen Gäste nennen es liebevoll eine „Institution“, oder auch „Die Heimat der Heimatlosen“. Es ist ein Ort, der Künstlern aller Richtungen eine Plattform bietet, vor allem denjenigen, die sich noch keinen Namen machen konnten oder am Anfang ihrer Karriere stehen. Auch die kulturelle Diversität ist bei uns so sehr ausgeprägt, wie nirgendwo sonst. Wir sind ein Zufluchtsort, für Studierende, Heimatlose, Künstler, Prominente und Politiker gleichermaßen. Bei uns ist jeder willkommen.

CM: Warum genau steht es im Moment so schlecht um das Lokal?

Dan: Der Keller, Baujahr 1901, ist so feucht, dass man dies selbst noch in den darüber liegenden Wohnungen sehen kann. Fachfirmen, die auf Trockenlegungen bzw. Kellersanierungen spezialisiert sind, sind sich einig – hier muss etwas geschehen.

Die Tatsache, dass der Hausbesitzer nicht dazu verpflichtet ist solch eine Sanierung durchzuführen macht die Sache für mich nicht einfacher. Solange das Haus nicht einsturzgefährdet ist, ist es leider mein Problem. Förderungen gäbe es, doch die sind mit vielen Auflagen verbunden, die ich nicht erfüllen kann; nur wenn das ganze Haus saniert werden müsste, gäbe es die Förderung. Nach Absprache mit dem Wohnfonds Wien ist dann schnell klar geworden, dass die Förderung mit der Aufnahme eines Kredites seitens des Hausbesitzers eine Pflichtvoraussetzung wäre.

Das möchte nicht einmal ich dem Hausbesitzer zumuten, schon gar nicht in einem derartig großen Haus wie diesem, welches das Nachtasyl beheimatet. Ich stecke also fest und es stehen nur zwei Optionen im Raum, sanieren oder für immer zusperren.

Die kulturelle Diversität ist bei uns so sehr ausgeprägt, wie nirgendwo sonst.

Dan Lestrade

CM: Warum ist es dir so wichtig, das Nachtasyl zu retten?

Dan: Als Schüler hat man nicht viel Geld und die Tatsache, dass man schon während meiner Jugendzeit im Nachtasyl Konzerte und Vernissagen besuchen konnte ohne Eintritt dafür zu bezahlen, war für mich und meine Freunde eine win-win Situation.

Als Künstler, der ich selbst nunmal bin, muss ich Tag für Tag zusehen, wie die Kunstszene blutet, teilweise sogar regelrecht ausgebeutet wird. Bekannte Namen tun sich einfacher, doch es sind vor allem die unbekannten Musiker, Maler oder auch Schauspieler, für die der Einstig in die Kunstszene mit enorm hohen finanziellen Hürden kämpfen müssen. Die Proben mit der Band, mit dem Theaterensemble, das kostet alles viel Geld. Der Maler investiert auch einiges, ehe er sein erstes Bild ausstellen kann.

Kunst und Kultur prägen. Sie sind nicht wegzudenken aus unserer Gesellschaft. Viele Künstler die mit mir zusammenarbeiten sind dankbar dafür, dass ihre ersten Schritte von Lokalen und Bühnen unterstützt wurden, die ähnliche bzw. gleiche Ziele verfolgen, wie ich mit dem Nachtasyl. Ohne Kunst wären wir Seelenlose, gefangen in einer Maschinerie, die ich gerne als das kapitalistische Hamsterrad bezeichne.

CM: Was ist dein schönstes Erlebnis, das du je im Lokal hattest?

Dan: Bevor ich das Nachtasyl übernommen habe, habe ich an der Bar gearbeitet und mich um den Laden im Allgemeinen gekümmert. Angefangen habe ich kurz nachdem ich mich mit meiner besten Freundin zerstritten habe. Wir hatten uns etwa ein Jahr lang nicht gesehen und auch nicht gehört. Als dann eines Abends ihre beste Freundin einen Auftritt im Nachtasyl hatte, ist meine beste Freundin ebenfalls vorbei gekommen, um sich ihren Auftritt anzusehen. So stand meine beste Freundin also plötzlich vor mir, alles war vergessen und seit dem sind wir unzertrennlich.

CM: Was wäre dein Plan zur Rettung der Gastro- & Kulturszene?

Dan: Ich habe mich schon immer gewundert, wie sehr die Kulturszene hierzulande ins Abseits gedrängt wird. Es schmerzt mich dies mit ansehen zu müssen. Gefühlt kann Österreich mit mehr Künstlern auftrumpfen als jedes andere Land. Sie alle stehen aber vor dem selben Problem; Förderungen gibt es oft nur unter Erfüllung von Knebelauflagen, auch der bürokratische Wahnsinn steht vielen im Weg, viele reichen eine Förderung erst garnicht ein, weil der Vorgang unnötig verkompliziert wird. Als ich 2003 angefangen habe Filme zu drehen, habe ich mehr Zeit in die Beantragung solcher Förderungen als dem eigentlichen Dreh gesteckt. Daran sind viele Projekte gescheitert und wurden nie umgesetzt.

Als ich nach Paris zog durfte ich erfahren wie es ist, wenn selbst unbekannte Künstler mit recht hohen Summen unterstützt worden sind, vollkommen gleich ob vom Staat, von Fernsehsendern, Gallerien oder Verlagen. Wenn ich es vergleichen müsste dann würde ich meinen, dass Paris den Mehrwert belohnt, welchen Kunst uns bieten kann, während Österreich einmal mehr lediglich den wirtschaftlichen Unsinn befürwortet – ist ein Projekt nicht profitabel, gibt es auch keine Unterstützung. Ein fataler Fehler, der sich immer wieder recht, einige der besten Künstler schaffen es so nie, Fuß zu fassen. Es braucht mehr Geld, aber vor allem den Mut seitens der Regierung und der zuständigen Stellen, in Menschen und deren Existenzen zu investieren, tun sie doch etwas für die Allgemeinheit.

Was die Gastronomie selbst angeht, so geht es ihr wie vielen anderen Branchen auch – der Staat greift zu, und zwar kräftig. Ich selbst stehe öfter hinter der Bar, als für mich gesund wäre, weil ich mir kein zusätzliches Personal leisten kann. Das Gehalt wäre eigentlich kein Problem, es sind die absurd hohen Lohnnebenkosten, die einem die Haare vom Kopf fressen. Der Staat kassiert überall ab, selbst für das Anbringen einer Geschäftsbezeichnung sind regelmäßig Gebühren zu entrichten, hier wird für die Verwendung des öffentlichen Luftraumes in die Geldbörse gegriffen – wie paradox.

Ohne Kunst wären wir Seelenlose, gefangen in einer Maschinerie, die ich gerne als das kapitalistische Hamsterrad bezeichne.

Dan Lestrade

Was die Auflagen im Allgemeinen angeht, so werden diese auch immer schärfer – Brandschutz, Lärmschutz, Rauchverbot, die Liste ist endlos lang. Natürlich sind gewisse Maßnahmen richtig und wichtig, bei manchen muss man sich jedoch wirklich an den Kopf greifen. die Gewerbeauflagen machen es Gewerbetreibenden immer schwerer, vor allem Neueinsteiger stehen vor einer regelrechten Flut an Auflagen, die erfüllt werden müssen. Ich wünschte, Österreich würde sich ein Beispiel an unseren Nachbarländern nehmen, immerhin ist Österreich ein bedeutender Wirtschaftsstandort, der unterstützt gehört, unnötige Stolpersteine helfen hier niemandem weiter, „selbst“ und „ständig“ ist leider nicht bloß eine Floskel.

CM: Gibt es eine Nachtasyl-Geschichte, die dich besonders berührt?

Dan: Da gibt es unzählige. Ich möchte deine Frage allerdings mit einer Nachricht beantworten, die mich erst kürzlich erreicht hat:

„Ich wollte dir nur sagen, wie toll ich es finde, dass du dir das mit dem Nachtasyl antust. Als ehemalige Slawistik-Studentin aus der unmittelbaren Nachbarschaft verbinde ich viele schöne Erinnerungen mit dem Lokal. Vor fast sechs Jahren hatte ich bei dir mein erstes Date mit meinem Mann, meiner großen Liebe, dem Vater meiner Tochter. Bis jetzt sind wir jedes Jahr zurückgekommen, um diesen Tag zu feiern. Leider ist mein Mann im Mai diesen Jahres unerwartet verstorben, umso wichtiger ist es mir, diesen Ort erhalten zu wissen.“

Solche Geschichten rühren mich zu Tränen und sind mitunter der Grund, warum das Nachtasyl weiter bestehen bleiben muss.

CM: Wie kann man Abseits von Geldspenden noch helfen?

Dan: Helfen kann man, in dem man meinen Spendenaufruf verbreitet. Meine Reichweite ist begrenzt, umso mehr freut es mich, dass sich mittlerweile bekannte Namen zu mir gesellt haben, die mir hier helfen. Voodoo Jürgens, Der Nino aus Wien, Yasmo von Yasmo & die Klangkantine, aber auch Michi Reichelt (Die Grünen) haben meinen Aufruf verbreitet. Die Maler Bettina Puchberger und Vladimir Halla haben mir gar Kunstwerke geschenkt die ich versteigere, so kommt auch etwas Geld in die Kasse.

CM: Wann könntest du wieder aufsperren?

Dan: Solch eine Sanierung eines feuchten Kellers nimmt viel Zeit in Anspruch; zuerst müssen die Räumlichkeiten entkernt und der Boden ausgehoben werden. Danach wird getrocknet, der Boden versiegelt, die Wände werden injiziert, so dass keine Feuchtigkeit mehr aufsteigen kann. Auch die Tatsache, dass man nicht einfach einen Bagger in den Keller schaffen kann ist ein Faktor, der die Arbeiten deutlich länger andauern lassen wird. Wir sprechen hier von ungefähr 4 Monaten Arbeitszeit nur für die Trockenlegung . Danach muss das Lokal wieder ausgestattet werden. Wenn ich Anfang März mit der Trockenlegung loslegen kann, werde ich am 1.10.2021 aufsperren können, so der vorläufige Plan.

Die Corona-Pandemie lässt allerdings mein Konto bluten – meine Ersparnisse sind fast aufgebraucht, die stattliche Unterstützung reicht vorne und hinten nicht, ich wohne im Büro, weil ich mir eine Wohnung momentan einfach nicht leisten kann. Sollte ich länger als bis März benötigen um das Geld aufzutreiben, so wird es für mich schwer werden, weiter zu machen, die Fixkosten laufen trotzdem weiter und irgendwann werde ich sie nicht mehr bezahlen können.



Wer zur Rettung des Nachtasyl beitragen möchte, kann unter dem folgenden Link spenden:

https://paypal.me/pools/c/8uQJpkNN2l


Alternativ zum Spendenlink:

Überweisung

IBAN: AT72 2011 1843 3032 0200 BIC: GIBAATWWXXX

Bitcoin: bc1q6tts66pnqeqt3pzf744us3zdm0vrmrc5uwtyxv


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Mail: bar@nachtasyl.at


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Chefredakteurin bei CRITICAL MINDS MAGAZIN +++ Ressortleitung: Theater-Film-Stars +++ Davor als Kultur-Redakteurin tätig bei SCHiCKMagazin, KURIER Medienhaus und der Tageszeitung HEUTE.

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