Zwischen ulkig-bunter Unterhaltung und bitterernster Geschichts-Satire erzählt Star-Regisseur Taika Waititi („Thor-Ragnarok“) die Geschichte des zehnjährigen Nazi-Jungen Jojo Betzler, der sich in den letzten Monaten des Dritten Weltkrieges einen imaginären väterlichen Freund herbei fantasiert. Und dieser Freund ist niemand geringerer als Adolf Hitler höchstpersönlich. Wäre da nicht auch noch das fünfzehnjährige jüdische Mädchen Elsa, welches Jojo’s Mutter Rosi hinter einer getarnten Tür versteckt hat. Filmstart in Österreich ist am 23. Januar.
Zu Ende des Zweiten Weltkrieges ist der 10-jährige Jojo Betzler (Roman Griffin Davis) zwar ein begeistertes Mitglied der Deutschen Hitlerjugend, die Schmach der Kameraden erträgt er trotzdem nur Dank seines imaginären, väterlichen Freundes: Adolf Hitler höchstpersönlich.
Jojo’s Vater kämpft in Italien an der Front, seine Schwester ist kürzlich verstorben. Nicht einfach für den sensiblen Jungen und seine allein erziehende Mutter Rosi (Scarlett Johannson).
Noch dazu wird ihm in einem paramilitärischen Jugendlager unter der Führung von Hauptmann Klenzendorf (Sam Rockwell) der nicht sehr schmeichelhafte Spitzname „Jojo Hasenfuß“ verliehen, nachdem er es nicht über’s Herz bringt einen Hasen zu töten.
Als wäre das nicht schon alles schlimm genug, muss er auch noch entdecken, dass seine Mutter ein fünfzehnjähriges jüdisches Mädchen namens Elsa (Thomasin McKenzie) unter dem eigenen Dach versteckt hat. Ein Supergau!
Als Jojo nun über Elsa stolpert, ist er zunächst entsetzt und glaubt, sie sei ein Monster. Nach und nach knüpft das Paar eine Art Hassliebe, die den imaginären Führer wütend macht und Jojo schließlich dazu veranlasst, seine Loyalitäten neu zu überdenken. Hach!
„Es gibt so viele starke Frauen in meinem Leben, deshalb wollte ich auch, dass dies eine Geschichte über eine wirklich starke alleinstehende Mutter ist, die versucht, ihren Sohn und andere aus dieser schrecklichen Situation zu retten, gleichzeitig aber versucht sie aber auch, Jojo’s Unschuld zu bewahren,“ so Regisseur Waititi über Johanssons Rolle im Film.
„Mit Hitler ins Kaninchenloch“
The Guardian
Die literarische Vorlage zum Film
Fans des neuseeländischen Filmemachers werden vielleicht überrascht sein, dass diese „Anti-Hass-Satire“ bereits aus einem Buch von 2004 stammt.
In einem Interview mit Waititi in 2018, beschrieb der Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor „Jojo Rabbit“ als eine „seltsame Kunstkomödie“, die sich in „gefährliche Gewässer“ wage.
Der Film basiert auf Christine Leuners Roman „Caging Skies„ aus dem Jahr 2004. Dieser spielt in Wien zur Zeit des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich. Hier muss der Hitlerjunge Johannes Betzler aus Ottakring entsetzt feststellen, dass seine Eltern ein jüdisches Mädchen im eigenen Haus verstecken. Seine anfängliche Abneigung gegenüber Elsa verwandelt sich mit der Zeit über Interesse bis hin zu Liebe und Besessenheit.
Nachdem seine Eltern verschwinden, ist er der einzige, der über Elsas Existenz Bescheid weiß und somit für ihr (Über-)Leben verantwortlich ist. Die Inspiration zu diesem Roman kam der Halbeuropäerin, die sich seit jeher sehr für Geschichte interessierte, durch die überlieferten Geschichten ihrer Eltern. Der belgische Großvater selbst war in Kriegstagen selbst in ein Arbeitslager gebracht worden.
Basierend auf dem Roman der neuseeländisch-belgischen Schriftstellerin brachte Autorin Desiree Gezentsvey 2017 auch ein gleichnamiges Theaterstück heraus.
Die Mischung aus respektlosem Humor und ernsthaften Ideen in diesem Film wird sicher nicht jedermanns Sache sein – trotzdem oder genau deshalb ist diese Anti-Nazi-Satire nicht nur aufgrund seiner Oscar- und Bafta-Nominierungen absolut sehenswert. Wer Waititis Sinn für ausgefallene Geschichten liebt, wird auch diesen Film lieben.

Hintergrundinfos zum Film
Bei all den kritischen Stimmen, die „Jojo Rabbit“ bereits jetzt im Vorfeld produziert, könnte man meinen, es wäre der erste Film, der Adolf Hitler auf ulkige Weise satirisiert. So schreibt die New York Times zum Beispiel: „‘Jojo Rabbit’ Review: The Third Reich Wasn’t All Fun“, die britische BFI haut noch eins drauf und meint: „Taika Waititi laughs in the face of fascism“.
Filmvisionär Charlie Chaplin machte sich jedoch schon 1940 in seinem Kultfilm „The great Dictator“ über den Führer lustig, während dem oscarprämierten Film „Life is Beautiful/La vita e bella“ von vielen nachgesagt wurde, das Leiden der Holocaust-Opfer verharmlost zu haben. Im Gegensatz zu Roberto Benigni’s „La Vita e Bella“ von 1997 hat Regisseur Taika Waititi aus Neuseeland tatsächlich ein jüdisches Erbe: Sein Großvater war russischer Jude.
Der britische Telegraph meint dazu: „This feeble, one-note Nazi comedy fails to land a single meaningful blow“.
Schlimm, wenn sich so ein Film trotz aller humorigen Aspekte so aktuell anfühlt – weil die Geschichte doch die absurde Angewohnheit hat, sich ständig zu wiederholen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
In dem Klassiker „The Producers“ aus dem Jahr 1967 machte Mel Brooks übrigens auch Comedy-Gold aus dem Gespenst eines schrecklichen Stücks, in dem Hitlers wenig bekannte Tanzfähigkeiten gefeiert wurden. Der Film gewann einen Oscar für das beste Drehbuch und brachte ein erfolgreiches Bühnenmusical hervor, das wiederum eine weitere mit Stars besetzte Verfilmung produzierte. Nazi-Geschichten sind und bleiben in Hollywood einfach ein beliebtes Thema und oftmals große Preisträger, siehe Quentin Tarantino’s „Inglorious Bastards“ und Co.
Die berühmte Fox-Fanfare zu Beginn wird hier übrigens durch deutsches Liedgut ersetzt. Der Beatles-Song „I want to hold your hand“ wird von NS-Propaganda und alten Wochenschau-Aufnahmen begleitet. Heil…iger Heiland! Man wird sehen, wie der Film beim deutschsprachigen Publikum ankommt und ob er hierzulande auch so polarisiert.