2014 erhielt Hedy Lamarr anlässlich ihres 100. Geburtstags ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof, um das sich ihre Nachkommen jahrelang bemühen mussten. Dass Hedy Lamarr Zeit ihres Lebens um die ihr zustehende Anerkennung gekämpft hat, zeigt auf sehr eindringliche Weise die aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum „#LadyBluetooth. Hedy Lamarr.“
Die liebevoll gestaltete Ausstellung im Jüdischen Museum erstreckt sich über zwei Räume im Erdgeschoß. Im ersten Moment scheint die Ausstellung etwas klein, doch wer sich darauf einlässt, entdeckt viele unbekannte Facetten dieser schillernden Persönlichkeit.
Viele kennen Hedy Lamarr als skandalträchtige, wunderschöne Schauspielerin. Im November 1914 als Hedwig Eva Maria Kiesler in wohlhabenden Verhältnissen in Wien geboren, wurde Hedy Lamarr dank ihres Aussehens schnell zum begehrten Filmstar in Klischee-behafteten Rollen. 1933 spielte sie die Hauptrolle in einem Film, der ihr Leben und auch ihr Vermächtnis für immer definieren würde – die erste cineastische Nacktszene und eine Liebesszene inklusive Orgasmus. In weiterer Folge drehte sie Filme bis 1958 und wurde 1960 mit einem Stern am Hollywood Walk of Fame geehrt.
Ihr Privatleben war ebenso bewegt: insgesamt war sie sechs Mal verheiratet und hatte 3 Kinder. Zweimal wurde sie wegen Ladendiebstahls verhaftet, war in späteren Jahren nahezu süchtig nach Schönheitsoperationen und wurde mehr und mehr zur Einzelgängerin. Im Jahr 2000 starb Hedy Lamarr relativ zurückgezogen in Florida.
Weitestgehend unbekannt ist die Tatsache, dass Hedy eine richtungsweisende Erfinderin war: Das Frequenzsprungverfahren, einen frühen Vorläufer von Bluetooth und WLAN, wurde von ihr als geheimes Kommunikationssystem für Torpedos im Kampf gegen die Nazis erfunden. Aufgrund der Komplexität wurde die Erfindung nie in der ursprünglichen Form eingesetzt, aber Hedy Lamarr entwickelte ihre Erfindung gemeinsam mit George Antheil bis zur Patentreife weiter. 1962 verwendeten einige Navy-Schiffe eine verbesserte Version ihrer Technologie. Für ihre Erfindung erhielt Hedy noch zu Lebzeiten 1997 den Electronic Frontier Foundation Pioneer Award und wurde 2014 posthum in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen.
Die ganze Ausstellung ist voll von persönlichen Fotos und Gegenständen. So findet man im ersten Raum unter anderem Spielzeug aus Hedys Kindheit und Briefe auf Französisch an ihre Eltern, die als Teenager geschrieben hat. Es entsteht der Eindruck, Hedy ließe sich in einer Ausstellung ausschließlich auf ihr Aussehen und ihre Skandale reduzieren – Fotos von ihr füllen die Wände und Schaukästen; und interaktive Filmausschnitte inkl. Originalton sind im Vergleich zu ihren technischen Errungenschaften der überwiegende Großteil. Der Bereich über ihre technischen Errungenschaften ist im Gegenteil dazu verschwindend klein.
In der Mitte des zweiten Raumes findet sich unter anderem ein Selfie-Point mit einer Paper-Doll von Hedy Lamarr und dem Hinweis, das Selfie unter dem Hashtag „#Ladybluetooth“ auf Instagram zu posten – ein schöner thematischer Bogen zum Titel der Ausstellung.
Tatsächlich ist ihre Schönheit und Ausstrahlung, selbst wenn nur auf Fotografien festgehalten, einnehmend. Erfrischend hingegen sind die passend zu den jeweiligen Lebensabschnitten gewählten großartigen Zitate an den Wänden, die Hedys Scharfsinn und Intellekt, aber auch ihre Verletzlichkeit und Resignation durchblicken lassen. Diese runden die auf den ersten Blick oberflächlich wirkende Ausstellung um eine tiefe, persönliche Komponente ab. „Ich muss aufhören, Männer zu heiraten, die sich mir unterlegen fühlen“ und „Ich glaube, manchmal spiele ich im Leben mehr als auf der Leinwand“, sind nur zwei Beispiele von Hedys Tiefsinn und Wortwitz.
Die Ausstellung ist gut besucht, aber man hat genügend Raum und Zeit, um bei interessanten Dokumenten oder schön anzusehenden Fotos zu verweilen. Auch die Filmausschnitte und Interviews kann man sich in Ruhe ansehen und anhören. Leider ist die Deckenbeleuchtung in Kombination mit den Schaukästen aus Glas an manchen Stellen nicht optimal, da man sich selbst im Licht steht.
Obwohl man die Ausstellung unter einer Stunde besichtigen kann, hinterlässt sie bleibenden Eindruck. Hedy Lamarr war sich ihr ganzes Leben lang ihrer Schönheit bewusst und hat zu einer Zeit, zu der Frauen überwiegend über ihr Äußeres definiert wurden, solange damit kokettiert, bis sie auf ihr Aussehen und ihr Äußeres alleine reduziert wurde.
Für ihren technischen Erfindergeist und ihren Intellekt erfuhr sie erst spät, zum Teil sogar erst posthum, Anerkennung. Und hier liegt, ganz im Zeichen des nahenden Weltfrauentags – wahrscheinlich die wichtigste Botschaft dieser Ausstellung: Man kann selbst mit beeinflussen, wie man von den Mitmenschen wahrgenommen wird und auch in Erinnerung bleibt – lassen wir unser Vermächtnis nicht von anderen definieren!
Besuchern, die noch etwas mehr Zeit mitbringen, kann auch der Besuch des restlichen Museums empfohlen werden. Viele kleine und große Ausstellungsstücke – von kleinen Würfeln aus Knochen bis hin zu den Ruinen einer Synagoge – zeugen von der jüdischen Kultur, die sich seit Jahrhunderten in Wien entwickelt hat.
Die Tragik der jüdischen Geschichte wird stimmungsvoll von der Architektur untermalt. Viel Beton und Edelstahl lassen das gesamte Museum kalt und distanziert wirken, dafür wirken die einzelnen Exponate umso berührender und hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Jüdisches Museum der Stadt Wien GmbH
Dorotheergasse 11, 1010 Vienna, Austria
Tel: +43 (1) 535 04 31
Email: info@jmw.at
Webseite: http://www.jmw.at/
Dauer der Ausstellung: 27 Nov 2019 bis 10 Mai 2020 im
Museum Judenplatz
Kuratorin: Andrea Winklbauer
Ausstellungsgestaltung: Schuberth und Schuberth
Fotos: © Metro-Goldwyn-Mayer, Foto: Laszlo Willinger (Anthony Loder Archive), Google