Wer, wenn nicht die große Sona McDonald, könnte einer Legende wie Marlene Dietrich neues Leben einhauchen? Nach ihren famosen Darbietungen als Billy Holiday in „Blue Moon“ und als Lotte Lenya in „Lenya Story“ an der Josefstadt, hatte man bei der gestrigen Premiere in den Wiener Kammerspielen unter der Regie von Torsten Fischer tatsächlich das Gefühl, die Dietrich stehe frisch inkarniert auf genau jener Bühne, wo 1927 ihre Karriere bei Max Reinhardt begann.
„Das Theater war der einzige Ort, wo man schöne Texte und schöne Verse vortragen konnte wie die von Rilke, die mir das Herz brachen und doch zugleich auch wieder Mut machten.“
Marlene Dietrich
Regisseur Torsten Fischer, der schon bei „Blue Moon“ und „Lenya Story“ Regie führen durfte, weiß, wie er seinen Star gekonnt in Szene setzen muss. Und stellt McDonald mit Martin Niedermair einen mehr als ebenbürtigen Spielpartner zur Seite. Zwischen den beiden Akteuren herrscht an diesem Abend eine Vertrautheit und Harmonie, die bis in die letzten Reihen zu spüren ist. In zwei Stunden singt und spielt sich das Duo durch das schillernde Leben der großen Stilikone. Die Songs gehen in Fleisch und Blut (großer Zwischenapplaus bei „Lili Marleen“ und „Sag mir wo die Blumen sind“).
Mit „Der Blaue Engel“ gelang Marlene 1930 als „femme fatale“ (unter der Regie von Josef von Sternberg) schließlich der Durchbruch. Der im Film von Dietrich gesungene Titelsong „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“/“Falling in Love again“ wurde ein Welthit. Mit Sternberg ging die gebürtige Berlinerin anschließend nach Hollywood, wo sie von Paramount unter Vertrag genommen wurde. Dort drehte sie mit Größen wie Alfred Hitchcock, Ernst Lubitsch, Orson Welles und Billy Wilder.
Für das Filmdrama „Marokko“ erhielt sie 1930 ihre erste und einzige Oscar-Nominierung. Trotz ihrer Liebe zu Deutschland, weigerte sie sich vehement, die Nationalsozialisten zu unterstützen, lehnte Gobbels großzügiges Angebot ab und engagierte sich stattdessen für die US-Soldaten im zweiten Weltkrieg. Für ihre Verdienste verlieh ihr US-Präsident Harry S. Truman 1947 sogar die Freiheitsmedaille. Beim deutschen Volk hingegen galt sie nicht nur aufgrund ihres Engagements gegen das NS-Regime lange Zeit als „Vaterlandsverräterin“
In den 1950er Jahren stand der gefeierte Filmstar dann vermehrt als Sängerin auf der Bühne. Mit „Sag mir wo die Blumen sind“ zeigte Marlene wohl am deutlichsten ihre Abneigung gegen den Krieg. Durch ihre Darstellung in Billy Wilders „Zeugin der Anklage“ (1957) sowie in „Das Urteil von Nürnberg“ (1961) mit Spencer Tracy erreichte die Dietrich dann endgültig den Hollywood-Olymp.
Mit dem Alter und dem Karriere-Aus kamen dann Schlafprobleme und mehrfache Knochenbrüche hinzu, die in einer chronischen Alkohol-und Tablettenabhängigkeit endeten. 1975 zog sich die Schauspielerin mit der preußischen Disziplin dann endgültig aus dem Showbusiness zurück und lebte bis zu ihrem Tod alleine und zurückgezogen in ihrem Pariser Appartement. Das Telefon war jahrelang ihre einzige Verbindung zur Außenwelt und zu ihrer Tochter Maria.
„Der Rückzug war der Preis, ein hoher Preis, den sie dafür zahlte, ihr perfektes Bild nicht zu beschädigen“.
Eva Gesine Baur, Autorin der Dietrich-Biografie „Einsame Klasse“
Trotz der allgemein hin verbreiteten Todesursache „Herz-und Nierenversagen“ dürfte sich Marlene am 6. Mai 1992 nach einem Schlaganfall mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben genommen haben. Ihre letzte Ruhestätte fand Marlene Dietrich schließlich auf dem Berliner Friedhof Schöneberg III in einem schlichten Grab nahe der Grabstätte ihrer Mutter.
„Männer umschwirren mich wie Motten das Licht / Und wenn sie verbrennen – ja dafür kann ich nicht“
Marlene Dietrich als Lola in „Der Blaue Engel“
So umjubelt Marlene zu Lebzeiten war, so einsam war sie auch. Als extrem polygamer Mensch mit dauernd wechselten Liebhabern (beider Geschlechter!) war sie Zeit ihres Lebens von Selbstzweifeln geplagt. Durch ihre (Männer-)Kleidung und ihre Bisexualität, war sie ihrer Zeit zwar weit voraus, ihr Perfektionswahn war ihr jedoch bis zuletzt stets im Weg.
Neben ihrer Ehe mit Rudolf Sieber pflegte die Dietrich zahlreiche Liebschaften, u.a. mit Größen wie Willy Forst, Josef von Sternberg, Friedrich Torberg, Ernest Hemingway, Gary Cooper, Marilyn Monroe, Frank Sinatra, Robert Redford, Jean Gabin, Douglas Fairbanks Jr., Vittorio de Sica, Joan Crawford, Spencer Tracy, Burt Lancaster, Richard Widmark, Montgomery Clift und Judy Garland. Die nicht minder umjubelte Liz Taylor hat sie hingegen gehasst. Bewundern ließ sich die Dietrich gerne, in Besitz nehmen nie.
„Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht, wenn an der nächsten Ecke schon ein andrer steht? Man sagt Auf Wiedersehn und denkt sich heimlich bloß: Na endlich bin ich wieder ein Verhältnis los.“
Marlene Dietrich als Lola in „Der Blaue Engel“

Die von Torsten Fischer berührend in Szene gesetzte Aufführung nähert sich dem Mythos Marlene Dietrich auf sehr naturgetreue Weise. Das Publikum bekommt Dank einer eminenten Sona McDonald einen beinahe beschämend intimen Einblick auf das Leben des Stars. Stellenweise glaubt man, tatsächlich die Dietrich vor sich zu sehen. Die Songs sind nicht nur perfekt nachgesungen, nein, McDonald macht sie sich ganz zu eigen.
Begleitet wird das Duo McDonald/Niedermair an diesem Abend (erneut) vom musikalischen Leiter Christian Frank und seinen hervorragenden Musikern. Das einfache und dennoch so aussagekräftige Bühnenbild von Herbert Schäfer ist ein Kunstwerk per se. Die glamourösen Kostüme von Vasilis Triantafillopoulos ein wahrgewordener Traum.
Und so wie Marlene anfangs im schlichten, schwarzen Mantel auf der Bühne erscheint, so stilvoll und elegant ist auch ihr Abgang. Ganz wie das große Vorbild, das nicht nur Stilikone und Vorbild für Generationen war sondern in allererster Linie ein Mensch mit Höhen und Tiefen.

Fazit: Sona McDonald hat geschafft, was nur ganz wenigen gelingt. Sie erweckt die Dietrich an den Kammerspielen der Josefstadt sprichwörtlich zum Leben. An ihrer Seite brilliert Martin Niedermair in mehreren Rollen nicht nur darstellerisch sondern auch gesanglich. Die Gesamtperformance ist in sich geschlossen, harmonisch und zutiefst berührend. Das Schlussbild erzeugt Gänsehaut. Kein Wunder, dass das Premierenpublikum es dem Ensemble und allen voran der großen Sona McDonald mit herzlichen Standing Ovations dankte. Chapeau!
Besetzung
Regie
Torsten Fischer
Bühnenbild und Kostüme
Herbert Schäfer
Vasilis Triantafillopoulos
Musik
Christian Frank
Dramaturgie
Herbert Schäfer
Musiker
Klaus Pérez-Salado
Andy Mayerl
Herbert Berger
Christian Frank
Marlene Dietrich
Sona MacDonald
Kammerspiele
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Trailer: Jan Frankl
Standing Ovations bei der „Engel der Dämmerung“- Premiere