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Volksoper Wien: „Der Zigeunerbaron“

Ein schwieriger Spagat

Der Zigeunerbaron feiert an der Volksoper nach 14 Jahren in einer Neuinszenierung von Peter Lund Premiere

Den Zigeunerbaron heutzutage auf den Spielplan zu setzen, ist kein ganz einfaches Unterfangen. Auf der einen Seite sind da die Melodien von Johann Strauß, die unbestritten zu den schönsten des Operettengenres gehören.

Auf der anderen Seite ist da die Problematik der romantisierten Kriegsverherrlichung und der klischeehaften Darstellung der sogenannten „Zigeuner“.

Der Begriff „Zigeuner“ wird von den Sinti und Roma als negativ konnotiert und somit stigmatisierend abgelehnt. Das ist nicht zu diskutieren, sondern muss respektiert werden.

Die Volksoper und Regisseur Peter Lund waren sich dieser Verantwortung bewusst und haben sich mit der Geschichte der Roma und Sinti im Vorfeld offenkundig intensiv beschäftigt und sich bemüht, das Werk mit Respekt eben jenen Menschen gegenüber auf die Bühne zu bringen.

So sprechen Saffi und Czipra einige Sätze in „Romanes“, der Sprache der Roma, miteinander. Eine schöne Idee.

Herkömmliche „Zigeunerkostüme“ sind ebenso wenig zu finden, wie sonstige Klischees. (Ich erinnere mich mit Schrecken an eine Inszenierung vor wenigen Jahren, in der die „Zigeuner“ mit gestohlenen Teppichen aufgetreten sind).

Der Verherrlichung des Krieges hat Peter Lund versucht, zum einen durch Videoprojektionen der Kriegshandlungen während der Ouvertüre und zum anderen durch eine Distanz schaffende „Stück im Stück“ Rahmenhandlung zu begegnen.

So endet zu Beginn des dritten Aktes das Stück der Theatergruppe besagter Rahmenhandlung damit, dass nur einer von dreien, nämlich Zsupán, lebend aus dem Krieg zurückkehrt. Da aber das Publikum gegen dieses „zu realistische“ Ende protestiert, spielen die Schauspieler das altbekannte Ende, in dem alle drei, Bárinkay, Ottokar und Zsupán, unversehrt heimkehren.

Atmosphärisch hat dieser Zigeunerbaron gar nichts von Operettenseligkeit. Insgesamt wirkt die Szenerie meist recht düster, immer wieder gebrochen durch einige skurrile Überzeichnungen, wie beispielsweise den Damenchor in Schweinskostümen (keine ganz neue aber durchaus verzichtbare Idee) oder einen riesigen goldenen Bilderrahmen mitsamt einer in Maria-Theresia-Kostüm vom Schnürboden hinabgleitenden Saffi, für den bewusst übertrieben kitschig gehaltenen dritten Akt.

Die Bühne (Bühnenbild Ulrike Reinhard) ist ständig in Bewegung und bietet in Kombination mit den Videoprojektionen von Andreas Ivancsics, etwa in der Szene in Zsupáns Eisenmine, einige sehr schöne Bilder.

Das Ensemble ist durch die Bank erfreulich, etwas weniger Pathos im Spiel hätte insgesamt nicht geschadet.

Von den Sängerinnen und Sängern stechen Lucian Krasznec als Sándor Bárinkay mit schöner Stimme und großer Spielfreude hervor. Gleiches gilt für Anita Götz als Arsena. Auch Boris Eder als Conte Carnero weiß für sich einzunehmen. Kurt Rydl ist ein stimmgewaltiger Kálmán Zsupán, Martina Mikelic eine mit schönem Mezzosopran ausgestattete Czipra, wenngleich spürbar zu jung für diese Rolle.

Kristiane Kaiser, offenbar kurzfristig als Premierenbesetzung eingesprungen, ist eine solide Saffi. David Sitka gibt den Buffo Ottokar der, zumindest im Stück, lieber als lyrischer Tenor bezeichnet werden will.

Die Gouvernante Mirabella wird von Regula Rosin herrlich komisch verkörpert und Marco Di Sapia gibt imposant einen feschen Graf Homonay.

Der Spagat, die alten „Zigeunerklischees“ zu entkräftigen, ohne neue zu schaffen, ist zugegebenermaßen sehr schwierig und hier so ausgegangen, dass die „Zigeuner“ sich nun tragisch und düster durchs Stück dahinschleppen.

Es werden sich noch einige Regisseur*innen den Kopf über diese Operette zerbrechen, der Versuch, den Lund und die Volksoper hier unternommen haben ist jedenfalls ein respektabler und wurde vom Publikum mit großem Jubel honoriert.

(mc)

Besetzung

Dirigent: Alfred Eschwé

Regie: Peter Lund

Bühnenbild: Ulrike Reinhard

Kostüme: Daria Kornysheva

Choreographie: Florian Hurler

Video: Andreas Ivancsics

Choreinstudierung: Thomas Böttcher

Mit

Sándor Bárinkay, ein junger Emigrant: Lucian Krasznec

Czipra, Zigeunerin: Martina Mikelic

Saffi, Zigeunermädchen: Kristiane Kaiser

Kálmán Zsupán, ein reicher Schweinezüchter im Banat: Kurt Rydl

Arsena, seine Tochter: Anita Götz

Mirabella, ihre Erzieherin: Regula Rosin

Ottokar, ihr Sohn: David Sitka

Conte Carnero, königlicher Kommissär: Boris Eder

Graf Peter Homonay: Marco Di Sapia

Páli, Vorarbeiter: Hubertus Reim

Volksoper Wien

Währinger Straße 78, 1090 Wien

Webseite:

https://www.volksoper.at/produktion/der-zigeunerbaron-2020.982857297.de.html

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