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„Die Liebe Geld“: Wenn Kröten flöten gehen

„Die Liebe Geld“? Das, was hier wie ein tölpelhafter Rechtschreibfehler klingt, ist vielmehr Daniel Glattauers neuester Streich an den Wiener Kammerspielen. Ein Streich unter der Regie von Folke Braband, der das „Nervus Rerum“* und die Bank der Zukunft auf amüsant-absurde Art und Weise auf die Schippe nimmt. Premiere war am gestrigen Premierendonnerstag.

„Geld ist nichts. Aber viel Geld, das ist etwas anderes.“

George Bernard Shaw
*Ner·vus Re·rum/Nérvus Rérum/Substantiv, maskulin [der]BILDUNGSSPRACHLICH
1. [Geld als] Zielpunkt allen Strebens, wichtigste Grundlage, scherzhaft: das Geld

Ein Mann braucht Geld, geht zum Bankomaten und bekommt keines. Und das, obwohl er knapp 40.000.- Euro am Konto hat. Klingt wie ein schlechter Scherz, oder? Optiker Alfred Henrich, bedauernswerte Titelfigur in Daniel Glattauers monetärer Komödie, kann darüber wenig lachen. Seit fünf Tagen verwehrt ihm jeglicher Geldautomat die dringend benötigten Scheinchen für ein Hochzeitstags-Collier. Klug und gewitzt umgesetzt wird diese monotone Anfangsszenerie durch eingespielte Videos (Philine Hofmann), in denen der Titelheld aus Sicht der Überwachungskameras gezeigt wird.

Hilfesuchend wendet sich Henrich (Roman Schmelzer) in der Folge an Mag. Drobesch (köstlich wie unheimlich: Martina Stilp), Betreuerin seiner Hausbank „Die Liebe Bank“. Diese versichert ihm, dass mit seinen Ersparnissen alles in bester Ordnung sei, das „liebe“ Geld befinde sich lediglich auf „Geschäftsreise“ und arbeite für ihn. Ob nun in Öl, Stahl oder anderswo wisse sie nicht.

Wenn man kein Geld hat, denkt man immer an Geld. Wenn man Geld hat, denkt man nur noch an Geld.

George Bernard Shaw

Bevor dem Optiker schließlich der Kragen platzt, (immerhin braucht er ja nach wie vor dringend Geld für Einkauf, Haus-Renovierung und Geschenk), kommt Dr. Czerny (famos: Michael Dangl), ein herrlich homoerotischer Bankdirektor, ins Spiel. Dieser will über alles reden, nur fix nicht über Finanzielles. Das Thema Geld langweilt ihn mehr als nur zu Tode. So präsentiert er dem verzweifelten Kunden die „Bank der Zukunft„, die fortan nicht monetäre, sondern rein menschliche Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. „Jetzt redet der schon wieder über Geld. Hat er denn nichts begriffen, was ich sage?“

Die Bank. Dein Freund und Helfer

Man braucht einen Hundesitter? Kein Problem. Der Hund kommt einfach zum knuddeln und kacken in die Bank. Man braucht etwas vom Billa? Kein Problem. Der Einkauf wird direkt über Headset in die Lobby geliefert. Man benötigt ein Hochzeitstags-Geschenk? Kein Problem. Statt eines schnöden Halscolliers dichtet der seidengezwirnte Bankdirektor viel lieber à la Shakespeare für den neu gewonnenen „Freund“. Schon bald wird klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Zu absurd ist plötzlich die ganze Szenerie. Zu allem Überdruss taucht auch noch Ehefrau Ulli Henrich (Silvia Meisterle) auf und gesellt sich gutgelaunt zur verschrobenen „Ménage à trois“.

„Geld nennt man heute Knete, weil man jeden damit weich bekommt.“

Gerhard Uhlenbruck

Man trinkt gemütlich Limoncello und parliert pseudo-freundschaftlich dahin. Als Henrich seiner Frau (vor Publikum) aus dem Gedichtsbuch rezitieren muss, lässt diese kurzerhand die Bombe platzen. Am Dachboden des elterlichen Hauses (DAS aktuelle Streitthema der Eheleute) hat diese einen ganzen Sack voll Geld gefunden. Alfred kann sein Glück kaum fassen. Doch bereits in dem Moment, als es Zaster regnet wird ihm erschütternd klar, dass seine Frau das ganze Geld längst „der lieben Bank“ anvertraut hat. Wenn Kröten flöten, Bares zu Rares und Kohle zu Asche wird lacht nur noch die Bank – und das Publikum.

Nach Publikumserfolgen wie „Gut gegen Nordwind“ (2009), „Alle sieben Wellen“ (2010) oder „Die Wunderübung“ (2015) erinnert die neueste Komödie von Bestsellerautor Daniel Glattauer ein wenig an jene „Vier Stern Stunden“-Inszenierung von 2018, die zwar durchaus wohlgesonnen , nicht aber frenetisch aufgenommen wurde. Und das, obwohl das Thema Geld und Banken nach wie vor brandaktuell ist. Regisseur Folke Brandand hat wie immer solide gearbeitet, die Schauspieler top besetzt, auch wenn an diesem Abend Michael Dangl und Martina Stilp schauspielerisch aus dem netten Quartett hervorstechen.

Roman Schmelzer hat seine Momente. Absolut! Da wirkt er höchst authentisch. Und plötzlich kippt sein Spiel in eine übertrieben gespielte Schauspielübung. Dennoch muss man ihn lieben. Ganz zu schweigen von seiner brillianten Gesichtskomik! Silvia Meisterle bringt mit ihrer quirrligen Art viel Abwechslung und Spielfreude in das blau-graue Schotter-Drama. Alles in allem ein durchaus gelungener Abend, an dem man hie und da noch ein wenig hätte feilen können. Dem Publikum hat es gefallen, man hat gelacht und mitgelitten mit dem armen Titelhelden. Und das ist doch was zählt.

Trailer: Jan Frankl

Kammerspiele der Josefstadt
Rotenturmstraße 20, 1010 Wien

Uraufführung
Premiere: 24. September 2020,
(+++besucht wurde die Generalprobe, da die Premiere Corona-bedingt leider voll war+++)

BESETZUNG

Regie
Folke Braband

Bühnenbild und Kostüme
Stephan Dietrich

Videos
Philine Hofmann

Dramaturgie
Silke Ofner

Lichtdesign
Sebastian Schubert

MIT

Alfred Henrich
Roman Schmelzer

Mag. Drobesch
Martina Stilp

Dr. Cerny
Michael Dangl

Ulli Henrich
Silvia Meisterle

WEBSEITE: https://www.josefstadt.org

FACEBOOK: https://www.facebook.com/TheaterinderJosefstadt

INSTAGRAM: https://www.instagram.com/josefstadttheater/?hl=de

Chefredakteurin bei CRITICAL MINDS MAGAZIN +++ Ressortleitung: Theater-Film-Stars +++ Davor als Kultur-Redakteurin tätig bei SCHiCKMagazin, KURIER Medienhaus und der Tageszeitung HEUTE.

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