Nach dem Erfolg von Vater und Kehrseite der Medaille im Jahre 2016, zeigen nun die Kammerspiele der Josefstadt mit Der Sohn ein weiteres Stück aus der Feder des Pariser Erfolgsdramatikers Florian Zeller. Stephanie Mohr (zuletzt „Glaube und Heimat“ und „In der Löwengrube“) inszeniert.
Das Familienportrait Der Sohn, welches 2018 unter dem französischen Titel Le fils im Pariser Comédie et Studio des Champs Elysées und 2019 uraufgeführt wurde und im Oktober 2019 im Hamburg St. Pauli Theater die deutschsprachige Erstaufführung feierte, kommt endlich als österreichische Erstaufführung in die Kammerspiele der Josefstadt. Das Stück erzählt die Geschichte von Nicolas, der nach der Trennung seiner Eltern nicht mehr in die Schule geht und mit dem Leben nicht mehr klarkommt.
Sein Vater Pierre (sehr einfühlsam und besonders facettenreich: Marcus Bluhm) lebt mit seiner zweiten Frau namens Sofia (egozentrisch, aber auch wandlungsfähig: Swintha Gersthofer) und dem gemeinsamen Baby zusammen, nimmt ihn aber dann zu sich, nachdem es mit seiner Mutter Anne (sehr mütterlich und fürsorglich: Susa Meyer) nur Streit gibt.
Trotz aller Bemühungen öffnet sich Nicolas, gespielt von Julian Valerio Rehrl, der nach seinem Hausdebüt am Theater in der Josefstadt in Einen Jux will er sich machen hatte, und mit dieser Produktion erstmals in den Kammerspielen der Josefstadt spielt, nicht, und geht trotz Schulwechsel auch nach wie vor nicht in die Schule. Rehrl glänzt von Anfang an und zeigt sich zunächst verschlossen, ängstlich und vor allem in zweiten Akt, aggressiv, jedoch zeigt er sich nach der Rückkehr aus der Klinik völlig verändert: offen, freundlich und lebensfroh.
Im zweiten Akt kommt dann die große Eskalation. Nicolas besucht erstmals nach Monaten seine Mutter und erzählt ihr, dass er sich nicht wohlfühlt, dass er mit dem Leben nicht klarkommt und wieder bei ihr wohnen möchte. Nach einem Selbstmordversuch landet er in einer psychiatrischen Klinik. Nach einer Woche besuchen ihn seine Eltern. Er möchte die Klinik auf der Stelle verlassen, doch der Arzt (streng, trocken, aber sehr passend zur Rolle: Oliver Huether) rät ihm und seinen Eltern davon ab, aber da Nicolas mit 17 Jahren noch minderjährig ist, können seine Eltern entscheiden, ob sie ihn nach Hause bringen oder nicht.
Diese Stelle ist besonders emotional, weil es keine einfache Entscheidung ist. Natürlich möchten die Eltern nur das beste für Nicolas, doch leiden möchten sie ihn selbstverständlich auch nicht sehen. Zunächst entscheiden sie sich dafür, dass er in der Klinik bleibt, das das wahrscheinlich das Vernünftigste ist, doch gleich in der nächsten Szene lernt man, dass sie ihn doch nach Hause gebracht hat. Da spielt auch Brillanz von Zellers Text eine große Rolle, denn es gelingt ihm, das Publikum etwas glauben zu lassen, und sie dann völlig zu überraschen.
Während es sich in Vater um eine Vater-Tochter Beziehung handelt, steht in Der Sohn primär die Vater-Sohn Beziehung im Mittelpunkt. Einerseits ist es berührend, wie sehr sich Pierre für seinen Sohn einsetzt, aber andrerseits sind vor allem die Dialoge zwischen Vater und Sohn, die besonders punkten und berühren.
Das Bühnenbild von Miriam Busch reflektiert die Essenz des Stücks, denn die Bühne ist leicht nach unten gekippt und von der Decke hängt das Bühnenbild gespiegelt herunter, als Metapher für die schwierigen Familienverhältnisse.
Regisseurin Stephanie Mohr gelingt es, sehr präzise, einfühlsam und mit viel Spannung, diese bewegende, fast beklemmende Geschichte, mit ihrem hervorragenden Ensemble zu erzählen. An manchen Stellen sind die Szenenwechsel vielleicht etwas zu schnell, wie etwa in den ersten zwei Szenen, aber daran gewöhnt man sich relativ bald.
Der Sohn ist sicherlich keine Boulevardkomödie, wie man es von Teilen des ersten Aktes vermuten könnte, und das ist gut so, denn dieses Haus hat es verdient, auch andere Stücke zu spielen. Diese Produktion gehört sicherlich zu den emotionalsten und bewegendsten der letzten Jahre.
Besetzung
Regie
Stephanie Mohr
Bühnenbild
Miriam Busch
Kostüme
Nini von Selzam
Dramaturgie
Barbara Nowotny
Licht
Manfred Grohs
Pierre
Marcus Bluhm
Nicolas
Julian Valerio Rehrl
Anne
Susa Meyer
Sofia
Swintha Gersthofer
Der Arzt
Oliver Huether
Der Pfleger
Alexander Strömer
Kammerspiele der Josefstadt
Premiere: 27.02.2020
Webseite: https://www.josefstadt.org/programm/stuecke/premieren-201920/action/show/stueck/der-sohn.html
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