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„Das Konzert“: Ein virtuoses Ehe(verwirr)-Spiel

Synonyme für Partnertausch: Schneckentransfer, Fleischlego, Rudelgewudel

Der Begriff Partnertausch bezeichnet eine sexuelle Praxis, in welcher zwei Paare, deren Partner in einer festen Beziehung leben, die Geschlechtspartner tauschen

Hausherr Herbert Föttinger schlüpft in Hermann Bahrs Lustpiel „Das Konzert“ in die Rolle des charmanten Musikers und Womanizers Gustav Heink, dessen „Konzertreisen“ hauptsächlich dazu dienen, um sich mit seinen jeweiligen Groupies in einer einsamen Waldhütte zu vergnügen. Aktuell ist es die bildhübsche Schülerin Delfine (Alma Hasun). Sein zwar geprelltes und dennoch über-loyales Weib Marie, gespielt von Sandra Cervik, weiß jedoch längst von den außerehelichen „Gastspielen“ ihres Hallodri-Ehemanns und beschließt, den Spieß einmal umzudrehen, um den notorischen Fremdgeher endlich zur Vernunft zu bringen.

So fährt sie mit Delfines Ehemann Dr. Jura (famos: Martin Vischer) kurzerhand zur libidinösen „Hüttengaudi“ nach, um den promiskuitiven Turteltauben einen (natürlich einvernehmlichen) Partnertausch vorzuschlagen. Das von der Ehe-Opposition in eine neue Vermählung gedrängte Liebespaar entscheidet sich allerdings, bei ihren aktuellen Ehe(trott)partnern zu bleiben. Der Schachzug der Betrogenen hat gefruchtet und alles bleibt beim Alten. Zumindest bis die nächste Schülerin auftaucht.

„Ich will auf die Hütte hinauf, im Wald liegen. Vögeln……..beim Zwitschern zuhören…“

Gustav Heink zu seiner Frau Marie

Gustavs eitle Künstlerseele, die die Bewunderung der Frauenwelt ebenso sehr für sein Ego braucht wie Charlie Harper den Alkohol, erkennt im Grunde, dass er im realen Leben ohne Marie hilflos und unvermögend ist. Nicht umsonst heißt es so schön: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine noch klügere Frau!“

„Aber ist es nicht ein bisschen so, wie wenn einer die Sommerkleider nicht ablegen will, damit der Herbst nicht kommen soll? Am Ende kommt der Herbst aber doch, und man friert nur desto mehr!“

Marie

Herbert Föttinger ist in der Josefstadt schon mehrfach in Rollen geschlüpft, die dem jungen, weiblichen Geschlecht zugetan sind und mit dem Älterwerden hadern (Domenico Soriano! Klingelts?). Hier wird es ihm wohl beim Anblick des Wilderers und Saufbruders Pollinger (Siegfried Walther) bewusst, der gemeinsam mit seiner Frau (Susanna Wiegand) die „amouröse“ Waldhütte bewirtschaftet. Pollinger leidet an Gicht und „spirituösen“ Verfallserscheinungen, die der fast gleichaltrige Heink zwar schmerzlich herannahen fühlt, in seiner Eitelkeit aber noch nicht so recht wahrhaben will: „Ich roste nicht. Nirgends!“.

Die turbulente Möchtegern-Orgie schließt vorerst mit dem vertrauten Schachspiel Heinks mit seiner Ehefrau Marie. Bei einer Aussprache am nächsten Morgen erklärt Gustav seiner Frau schließlich über die Zwanghaftigkeit und „berufsnotwendige“ Ursache seiner Seitensprünge. Wie so oft (man nehme z.B. „Filumena Marturano – Hochzeit auf Italienisch“) findet der Herzensbrecher zu seiner Angetrauten zurück. Dr. Jura und Delfine, erneut füreinander entfacht, flüchten hastig aus der Hütte. In der Aussicht auf ein paar ruhige Tage „allein“, versichert Heink Marie, dass es mit seinen „Konzerten“ nun endgültig ein Ende haben werde. Doch dann taucht die bis über beide Ohren verliebte Schülerin Eva Gerndl (leider etwas farblos: Michaela Klamminger) auf und Heink wird erneut zum Honk.

Synonyme für Frauenheld:

Gigolo, Schürzenjäger, Wüstling, Herzensbrecher, Weiberer, Süßholzraspler, Witwentröster, Schlawiner, Charmebolzen, Frauenversteher, Suitier, Filou, Charmeur, Gustav Heink,…

Der Zuseher darf sich zuletzt eines von zwei möglichen Enden aussuchen. Realistisch gesehen, würde sich Heink wohl dem nächsten Konzertabenteuer hingeben, nachdem ihn Marie per Abschiedsbrief verlassen hat. Doch wirkt ein Gustav, zumindest im zweiten Akt, zu Abenteuermüde, um sich noch einmal in eine Affäre zu stürzen. Viel lieber lässt er sich doch das Frühstücksbrötchen von seiner Marie belegen.

Herbert Föttinger und Sandra Cervik spielen in Hermann Bahrs Lustspiel wieder einmal ein perfekt eingespieltes Ehepaar. Böse Zungen mögen behaupten, das „Real-life-Ehepaar“ hätte hier ja nicht allzu viel zu spielen. Gerade aber ebendiese Vertrautheit und Verletzlichkeit so ehrlich und ungekünstelt rüberzubringen ist eine große Kunst. Martin Vischer ergänzt das grandiose Föttinger-Cervik-Gespann mit einem humorvoll-liebenswerten Knall – und schönen Worten. Allein sein erster Auftritt sorgt schon für Lacher bevor er überhaupt zu sprechen beginnt. Die stark erschlankte Alma Hasun hingegen sorgt mit ihrer „ich habe Hunger“-Wut ebenfalls für so manchen Publikumslacher. Gustav: „Wärst du doch nur vor 20 Jahren gekommen. Delfine: Aber da war ich doch noch gar nicht auf der Welt!“

Föttinger und Cervik spielen so authentisch und facettenreich, dass man teilweise nicht mehr weiß, ob man im Theater oder bei ihnen zu Hause sitzt. Föttingers „Ned die Hoar“-Sager sorgt immerhin für Szenenapplaus. Generell muss man sagen, dass die einzelnen Rollen perfekt besetzt sind. Und wie gut tut es, in Zeiten wie diesen, einfach mal wieder herzlich im Theater lachen zu können.

Das Bühnenbild von Karin Fritz besticht durch ästhetische Schlichtheit, die Kostüme im gehobenen 1980er-Jahre-Stil ebenso. Regisseur Janusz Kica hat mit diesem Stück und seinen erstklassigen Schauspielern erneut für einen großen Publikumshit gesorgt. Traurig, dass der Applaus bei all den Lachern dennoch bescheiden war.

1909 ging der 1863 in Linz geborene Hermann Bahr seine zweite Ehe mit Opernsängerin Anna von Mildenburg ein. Durch sie ergab sich Bahrs Beziehung zu Richard Strauß.
Im selben Jahr schrieb er die Komödie „Das Konzert‘ und widmete diese dem großen Komponisten, dem er folglich die Rolle des charmanten Virtuosen Gustav Heink auf den Leib schrieb. Sein eigenes alter Ego ist in der Rolle des Dr. Jura selbst zu finden. In Bahrs Lustspiel parodiert der Autor auf unterhaltsame Art und Weise die Scheinwelt einer Gruppe gelangweilter Ehepartner. Die Uraufführung fand am 23. Dezember 1909 in Berlin statt.

FAZIT: Herbert Föttinger und Sandra Cervik brillieren unter der Regie von Janusz Kica als humorvoll und facettenreich eingespieltes Ehepaar, Martin Vischer ergänzt das Duett mit einem famosen Charakter und scharfen Abgang. Alma Hasun wirkt eine Spur zu emanzipiert für ein naives Pupperl (was ja im Grunde ein Kompliment ist), hat aber durchaus auch ihre Momente. Ein äußerst starkes Quartett, gegen das die Pollingers (Wiegand und Walther) hier begreiflicherweise nur schwer ankommen. Frisch, kurzweilig und knackig gekürzt. Absolut sehenswert!

BESETZUNG

Regie
Janusz Kica

Bühnenbild und Kostüme
Karin Fritz

Musik
Matthias Jakisic

Dramaturgie
Matthias Asboth

Licht
Manfred Grohs

MIT

Gustav Heink, Pianist
Herbert Föttinger

Marie, seine Frau
Sandra Cervik

Dr. Franz Jura
Martin Vischer

Delfine, seine Frau
Alma Hasun

Eva Gerndl
Michaela Klamminger

Pollinger
Siegfried Walther

Frau Pollinger
Susanna Wiegand

Fräulein Wehner
Anna Laimanee

Fräulein Selma Meier
Lisa Weidenmüller

Miss Garden
Martina Stilp

Frau Claire Floderer
Alexandra Krismer

Frau Fanny Mell
Marlene Hauser

Herr Dr. Kann
Jakob Elsenwenger


THEATER IN DER JOSEFSTADT

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Chefredakteurin bei CRITICAL MINDS MAGAZIN +++ Ressortleitung: Theater-Film-Stars +++ Davor als Kultur-Redakteurin tätig bei SCHiCKMagazin, KURIER Medienhaus und der Tageszeitung HEUTE.

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