– Die Entdeckung der Gefühle im KHM
Kurzentschlossene Kunst- und Kulturliebhaber können noch diese Woche eine ganz besondere Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum besuchen, die mit dem Zusatz „Die Entdeckung der Gefühle“ angepriesen wird. Selten hat eine Ausstellung so viel positives Feedback erhalten –zu Recht?
Ziemlich schnell wird dem hobbymäßigen Kunstliebhaber beim Besuch der Ausstellung klar, dass der „Werbeslogan“ kaum treffender gewählt sein könnte. Michaelangelo Merisi, später nach dem Herkunftsort seiner Eltern als Caravaggio bekannt, war nicht nur einer der bedeutendsten Maler des italienischen Frühbarocks, sondern auch ein Rebell auf ganzer Strecke.
Schließlich kehrt er dem schönen Ideal der Renaissance den Rücken zu und widmet sich der realistischen Darstellung von Menschen und deren Gefühlen. Gerade zu bahnbrechend und nachvollziehbar wirken seine Gemälde, die dargestellten Gefühlslagen sind auch ohne Untertitel oder Namen des Gemäldes ersichtlich. Seine Studienobjeke sind Menschen aus allen Gesellschaftssichten, die er auf den römischen Straßen traf.
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und das gilt besonders dann, wenn es um Kunst geht. Die handwerkliche Finesse und die Ausstrahlung seiner Werke sind aber über jegliche Kritik erhaben. Caravaggios Leben selbst war sehr bewegt und unkonventionell; seine neuartige Herangehensweise an die Darstellung von Personen hat die nachfolgenden europäischen Künstlergenerationen grundlegend geprägt.
Das KHM selbst verfügt über die größte Sammlung von Caravaggios Werken außerhalb Italiens. Diese Werke sind in der Dauerausstellung ersichtlich und daher regelmäßigen Besuchern auch bekannt. Was ist nun der besondere Reiz der Sonderausstellung? Kurz gesagt: die Verknüpfung mit Gian Lorenzo Bernini.
Der Architekt und Bildhauer war bereits zu seinen Lebzeiten beliebt und begehrt und ist daher auch jedem Rom-Touristen gut bekannt; ist die doch die halbe römische Innenstadt voll mit seinen Skulpturen. Diesen haucht er mit einer fast unerreichten Fülle an Detail Leben ein und schafft es, dem Marmor unterschiedliche Texturen zu verleihen.
Diese beiden Künstler sind gemeinsam in einer Ausstellung, die in dieser Form noch nie gezeigt wurde, ein unschlagbares Team. Mit ihrem unverwechselbaren Zugang zur realitätsnahen Darstellung von Gefühlsmomenten ergänzen sich ihre Werke wechselseitig und komplimentieren sich gegenseitig.
Auch die Organisation der Ausstellung selbst rundet den Besuch sehr angenehm ab. Für die Sonderausstellung gibt es Timeslots, deren Eintrittszeit genau eingehalten werden muss, aber es gibt keine Begrenzung der Aufenthaltsdauer.
Die Beleuchtung der Räumlichkeiten spielt den beiden Künstlern in die Hände und rückt ihre Kunstwerke buchstäblich ins rechte Licht. Den Besuchern und Kunstwerken erlaubt die großflächige Aufteilung und Anordnung genügend Raum zum Atmen und auch bei größerem Besucherandrang hat man genügend Platz und Zeit, um sich persönlichen Lieblingsstücken zu widmen.
Besonders raffiniert ist die repetitive Anordnung von Gemälden und Skulpturen, bei der sich in einem bestimmten Blickwinkel durch den Raum Körperhaltungen von gemalten und gehauenen Personen wiederholen oder widerspiegeln. So lässt sich auch bei einem mehrfachen Besuch der Ausstellung immer wieder etwas Neues entdecken. Erweitert wird die Ausstellung durch gut platzierte Gemälde von anderen Künstlern aus dieser Epoche, die die Ausstellung auf harmonische und erfrischende Weise bereichern.
Der Vollständigkeit halber möchte an dieser Stelle erwähnt sein, dass ein Großteil der Kunstwerke bekannt ist, wenn man in diversen europäischen Städten Museen besucht. So entsteht diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Rijksmuseum in Amsterdam, wo sie ab Mitte Februar 2020 bis Anfang Juni 2020 zu sehen sein wird. Und Amsterdam ist bekanntlich immer eine Reise wert und sehenswert sind Caravaggio & Bernini in jedem Fall!
+++Nur noch zu sehen bis 19. Jänner 2020+++
Kunsthistorisches Museum Wien
Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien
Webseite: www.khm.at
Galerie
BERNINI, Giovanni Lorenzo_ San Sebastian (FAM.DEC1614)
Roma, © Gallerie Nazionali di Arte Antica – Bibliotheca Hertziana, Istituto Max
Planck per la storia dell’arte/Enrico Fontolan, © Foto: Dominique Provost,