MIT DEM GESCHMACKVOLL IN SZENE GESETZTEN ERFOLGSMUSICAL „CABARET“ STARTETE DIE VOLKSOPER AM SAMSTAG IN IHRE NEUE SPIELSAISON. DEM BERÜHMTEN FILMKLASSIKER MIT LIZA MINELLI UND JOEL GREY STAND DIE VOLKSOPER AN DIESEM ABEND -DANK BRILLANTER BESETZUNG- IN NICHTS NACH.
„Und wenn die Welt in Stücke fällt, ich liebe das Cabaret!“
What good is sitting, alone in your room?
come hear the music play!
Life is a cabaret, old chum!
Come to the cabaret!
Willkommen im Berlin der späten 1920er Jahre! Willkommen im Kit-Kat-Klub!

Allein die Begrüßung durch den legendären MC/Emcee des „Kit-Kat“-Nachtclubs (brillant vorgetragen von Ruth Brauer-Kvam) lässt das Premierenpublikum der Wiener Volksoper an diesem Abend innerhalb kürzester Zeit in das (noch!) zügellose Berlin der 1930er Jahre eintauchen, dem Treffpunkt der Bohème, der Träumer und der Gescheiterten. Einziger Wermutstropfen: Die Nationalsozialisten kommen gerade an die Macht und sind schon jetzt weit mehr als nur die Spaßbremse der Nation.
Vor dem Hintergrund immer mehr an Stärke gewinnender nationalistischer Strömungen in unserem Land wie auch in vielen anderen Teilen der Welt bringt die Volksoper mit ihrer ersten Premiere der neuen Spielsaison (sowie der allerersten Premiere von „Cabaret“ am Haus selbst!) ein politisch höchst brisantes Lehrstück der Geschichte auf die Bühne. Gewisse Parallelen zur heutigen Zeit sind – tragischerweise – unübersehbar.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht der amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw (etwas farblos: Jörn-Felix Alt), der nach Berlin gekommen ist, um seine Schreibblockade in den Griff zu bekommen. Bereits im Zug lernt er den Deutschen „Schmuggler“ Ernst Ludwig (bitterböse: Peter Lesiak) kennen, der ihn in der kleinen Pension von Fräulein Schneider (bewegend: Dagmar Hellberg) unterbringt.
Im angesagten „Kit-Kat-Klub“ trifft er schließlich auf die exzentrische Sally Bowles (was für eine berührende Performance von Bettina Mönch), der Hauptattraktion des frivol-exzessiven Nachtclubs. Mönch ist neben Direktor Robert Meyer in der Rolle des jüdischen Herrn Schultz unbestritten DER Star des Abends.
So stark und überzeugend sie wirkt, so zerrissen und zerbrechlich ist sie auch. Robert Meyer, (der den jüdischen Song „Mieskeit“ – eine Parabel über Hässlichkeit und unerwartetes Glück – zum Besten gibt), spielt mit einer derart ergreifend tragischen Komik: WOW!
Das fantasievoll in Szene gesetzte Stück (großartig das „Karusell“-Bühnenbild von Heike Meixner, wunderschön die Kostüme von Falk Bauer) ist pures Entertainment mit sehr braunem Unterton.
„Willkommen, Bienvenue, Welcome!“ heißt es da so schön im Eröffnungssong des Conférenciers (die kahlköpfige Ruth Brauer-Kvam zeigt wieder einmal ihr großes Können), wohlwissend, dass dieses Land längst dem Untergang geweiht ist. So wird auch Frl. Schneider ihre Verlobung mit dem charmanten Obsthändler Schultz lösen, nur weil er Jude ist.
Die Akteure sind wild, bunt, ausschweifend und doch so voller stiller, berührender Momente. Angesichts dieser ungewiss-düsteren Zukunft bleibt den Beteiligten gar nichts Anderes übrig, als auf sich selbst zu schauen. So auch das bei Frl. Schneider zur Untermiete wohnende Fräulein Kost (Gänsehaut: Johanna Arrouas), die sich unerwartet und unbarmherzig auf die Seite Ernst Ludwigs und somit auf die Seite der Nazis stellt.
Das Happy-End bleibt aus. Nachdem Sally das (gemeinsame?) Kind abgetrieben hat um weiter im Kit-Kat-Klub an ihrer Karriere zu arbeiten („Ich bin egozentrisch, rücksichtslos und wie heißt noch das dritte Adjektiv? Ach ja, und ich habe diese infantile Vorstellung, dass aus mir eines Tages eine passable Schauspielerin wird.“), flieht Cliff zurück in seine Heimat Amerika. Was bleibt ist eine ganz passable, wenn auch zutiefst tragische Story für sein neues Buch.
Bye bye mein lieber Herr,
farewell mein lieber Herr,
it was a fine affair, but now it’s over
Trotz der Allgegenwärtigkeit der Oscar-prämierten Hollywood-Produktion mit Liza Minelli, Joel Grey und Michael York schafft es die Volksoper hier mit seinen nicht minder großartigen Akteuren die gigantische Filmvorlage beinahe völlig auszublenden und sämtliche Vergleiche gleich ganz sein zu lassen. Die Musikalische Leitung des Abends obliegt dem am Haus inzwischen zum Musical-Experten avancierten Kapellmeister Lorenz C. Aichner, für die Inszenierung zeichnet der Deutsche Theater-und Filmregisseur Gil Mehmert verantwortlich, der mit dieser Produktion auch gleich sein Volksopern-Debüt feiert (ebenso wie Bradshaw-Darsteller Jörn-Felix Alt).
„Life is a Cabaret!“
FAZIT
Ein durch die Bank gelungener Musical-Abend, der es mühelos schafft, die große Filmvorlage vergessen zu lassen. Die Helden des Abends sind legitimerweise Bettina Mönch, Ruth Brauer-Kvam, Hausherr Robert Meyer und Dagmar Hellberg. Standing Ovations und bombastischer Applaus.
BESETZUNG:
DIRIGENT
Lorenz C. Aichner
REGIE
Gil Mehmert
BÜHNENBILD
Heike Meixner
KOSTÜME
Falk Bauer
CHOREOGRAPHIE
Melissa King
MIT:
Conférencier: Ruth Brauer-Kvam
Sally Bowles: Bettina Mönch
Clifford Bradshaw: Jörn-Felix Alt
Fräulein Schneider: Dagmar Hellberg
Herr Schultz: Robert Meyer
Ernst Ludwig: Peter Lesiak/ Oliver Liebl
Fräulein Kost: Johanna Arrouas
Max & Piccolo: Jakob Semotan & Matthias Trattner
Kit Kat Girls & Boys
Marianne Curn, Paulina Plucinski, Anja Struc, Katharina Wollmann, Eva Zamostny, Jurriaan Bles, Martin Enenkel, Maximilian Klakow, Kevin Perry
Premiere am Samstag, den 14. September 2019
Weitere Vorstellungen am 17.9./21.9./24.9./27.9./5.10./10.10./13.10./16.10./22.10./25.10./27.10. uvm.
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