Zuletzt war es die Kombination von Kulinarik und Kunst am Wochenende, die die Akademikerin über die Donau in die Wiener Innenstadt gelockt hat. Und weil das beim ersten Mal schon erfolgreich war, ließ die Wiederholung nicht lange auf sich warten.
Wie viele der Corona-Wahnsinn-überdrüssigen Mitbürger, verbringt auch die Akademikerin so manchen Nachmittag auf dem Sofa und folgt den personalisierten Empfehlungen des Film-Streaming-Anbieters ihrer Wahl. Eines Nachmittags lautete die Film-Empfehlung „Die Frau in Gold“ – eine Verfilmung der Ereignisse rund um die Restitution des Klimt-Gemäldes „Adele Bloch-Bauer I“. Gut unterhalten und danach sehr inspiriert wurde ein Besuch bei Klimt im Belvedere für das darauffolgende Wochenende geplant.
Weil sich die Kombination von Kulinarik und Kunst als ideal für das Wochenende herausgestellt hat, war schnell klar, dass es nur einen Ausgangspunkt für den Besuch bei Klimt gibt: das wunderschöne Café Goldegg. Das originalgetreu sanierte Kaffeehaus im Jugendstil könnte nicht passender sein: opulenter, dunkelgrüner Samtbezug auf den Sitzbänken, Fischgrätparkett, Marmortische, großartige Bedienung und– leider mittlerweile eine Seltenheit – Tageszeitungen. Ganz besonderer Blickfang: das wunderschöne Buntglasfenster (und die gut gefüllte Kuchenvitrine).
Gesättigt und hervorragender Stimmung sind die wenigen Gehminuten zum Belvedere bei angenehmen Septemberwetter ein Genuss. Der Kauf der Eintrittskarten vor Ort geht problemlos, wobei allen Besuchern empfohlen wird, die Tickets und den Terminslot online zu buchen. Im gesamten Belvedere herrschen die Corona-üblichen Vorgaben: Maskenpflicht, Abstandhalten, Hände desinfizieren.
Gustav Klimt, Sonja Knips, 1897/1898
© Belvedere, WienGustav Klimt, Amalie Zuckerkandl, 1917/1918
© Belvedere, WienGustav Klimt, Fritza Riedler, 1906
© Belvedere, WienGustav Klimt, Johanna Staude, 1917
© Belvedere, Wien
Das Belvedere als eins der besten Kunstmuseen weltweit stellt Werke vom Mittelalter bis zur Gegenwart aus. Im 18. Jahrhundert von Prinz Eugen als Sommersitz beauftragt, wurde es nach seinem Tod von Maria Theresia gekauft. Dort wurde fortan die kaiserliche Sammlung ausgestellt und das Belvedere wurde zum ersten öffentlichen Museum der Welt. Die spannende Geschichte des Gebäudes wird im Erdgeschoß zwischen Museumsshop und Schloß-Café gezeigt, großartig ergänzt von bedeutenden, historischen Dokumenten mit Bezug zu den Ausstellungsstücken, wie zum Beispiel dem Testament von Adele Bloch-Bauer.

© Belvedere, Wien
Auf vier Ebenen verteilt begibt man sich auf eine spannende und wunderschöne Reise durch die bedeutendsten Kunstepochen. Wer auch einer digital-mobilen Reise nicht abgeneigt ist, lädt die eigens angepriesene App auf das Handy und erhält bei ausgewählten Gemälden viele spannende zusätzliche Informationen. Für die Verwendung der App entstehen erfreulicherweise keine extra Kosten.
Bei all der ausgestellten Kunst lohnt es sich, auch die speziellen vier Themenräume nicht zu übersehen. Diese widmen sich in den einzelnen Kunstepochen der österreichischen Identität zu dieser Zeit. Auch die Räume selbst sollten nicht übersehen werden – immer wieder lohnt sich ein Blick zur Decke, um dort opulente und sagenhafte Handwerkskunst bewundern zu können.
Gustav Klimt, Sonnenblume, 1907
© Belvedere, WienGustav Klimt, Bauerngarten mit Sonnenblumen, 1908
© Belvedere, WienGustav Klimt, Allee im Park vor Schloss Kammer, 1912
© Belvedere, WienGustav Klimt, Blühender Mohn, 1907
© Belvedere, WienGustav Klimt, Entwurf zu einem Theatervorhang für das Stadttheater Karlsbad, 1884/1885
© Belvedere, Wien
Während es die meisten Besucher durch die einzelnen Räume der Ausstellung in Richtung Klimts „Der Kuss/Das Liebespaar“ zieht und sie die anderen Kunstwerke scheinbar nur konsumieren, lohnt es wirklich, sich Zeit zu lassen und bei gewissen Kunstwerken und persönlichen Lieblingen ein oder zwei Minuten länger zu verweilen. Wie zum Beispiel Bilder von Gustav Klimt, die wenig mit der mit ihm verbundenen Bildsprache zu tun haben, aber so klassisch ausgestaltet sind, dass diese fast romantisch wirken. Oder Schieles Melancholie, die einem nahezu aus jedem Bild entgegenschreit und in einem so ungewöhnlichen Jahr wie 2020 besonders nachdenklich stimmt. Und natürlich Klimts „Die Braut“, durch seinen Tod für immer unvollendet und eine wunderschöne, aber schmerzliche Erinnerung, dass nichts im Leben garantiert ist.
Gustav Klimt, Freundinnen (Wasserschlangen I), 1904-1907
© Belvedere, WienGustav Klimt, Adam und Eva, 1917/1918
© Belvedere, WienGustav Klimt, Judith, 1901
© Belvedere, WienGustav Klimt, Josef Lewinsky als Carlos in Clavigo, 1895
© Belvedere, Wien
Ehe man es sich versieht, hat man den scheinbaren Höhepunkt der Ausstellung erreicht: die Beleuchtung und Atmosphäre haben sich merklich verändert – und hier ist es. Opulent und golden, jedes Mal beeindruckender als in der Erinnerung. Perfekt ausgeleuchtet und in Szene gesetzt, die Edelmetalle strahlen aus jedem erdenklichen Winkel. Der Kuss. Die wahre Geschichte und Bedeutung des Kunstwerks werden uns für immer verborgen bleiben. Aber vielleicht ist es genau diese Unwissenheit, diese Möglichkeit der eigenen Interpretation, die das Gemälde so ansprechend und anziehend macht.
Wer nach all diesen Kunstwerken erschöpft ist, der hat die Möglichkeit sich im reizenden Schloss-Café bei schönem Wetter in der Sonne zu erholen. Tatsächlich war es an diesem Tag allerdings die verlockende Esterházy-Torte, die die Akademikerin zur Rückkehr ins Cafe Goldegg bewegt hat. Diese war nicht nur hervorragend, sondern auch anregend. Esterházy. Das klingt nach einem Tagesausflug ins Burgenland.

© Belvedere, Wien
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